Wo Kunst, Natur und Architektur in aller Liebe zu einer perfekten Einheit verschmelzen. Ein Jubiläumsbesuch bei der Fondation Maeght.
Es gibt sie doch, diese magischen Orte, an die man immer wieder zurückkehren möchte. Wenn man einen dieser Orte zum ersten Mal entdeckt, spürt man: Da ist was Besonderes. So ein Ort ist die Fondation Maeght.
Kunst zum Aufleben
Eine der bedeutendsten unabhängigen Kunststiftungen der Welt, die am 28. Juli 2024 ihren 60. Geburtstag feiert, findet man in Bestlage bei Saint-Paul-de-Vence im Hinterland der Côte d’Azur. Isabelle Maeght, die Enkelin der Gründer Marguerite und Aimé, empfängt Signature zu einem ausführlichen Gespräch in der Bibliothek, dem ehemaligen privaten Wohnzimmer der Familie Maeght. Sie sitzt an einem großen, weißen Tisch ohne viel Schnickschnack, umgeben von ihren Büchern, mit denen sie aufgewachsen ist. Blickt man aus dem Fenster, sieht man Skulpturen von Miró und Pinienbäume, dahinter schimmert das Meer. Mehr Stil und Idylle gehen einfach nicht.
Vor sich eine Skizze für eine neue Ausstellung – „Wir planen bereits 2027“ – lässt sie Kaffee und Wasser bringen, um dann zu fragen: „Worüber wollen wir sprechen?“ Und genau das wollen wir, eintauchen in ihre Geschichten, um zu verstehen, was die Magie dieses Ortes wirklich ausmacht.
Die große Zeit der Großeltern
Isabelle erzählt von den Anfängen und der Geschichte der Stiftung Maeght, die tragischer nicht beginnen konnte: „Meine Großeltern, Aimé und Marguerite haben in Paris eine der einflussreichsten Galerien betrieben. Als mein Onkel Bernard, der jüngere Bruder meines Vaters, an Leukämie erkrankte, kauften meine Großeltern mehrere Grundstücke im Hinterland von Nizza, damit mein Onkel sich an der frischen Luft erholen konnte. Als Onkel Bernard 1953 im Alter von zwölf Jahren starb, besaßen meine Großeltern auch schon dieses Grundstück, auf dem sie später die Stiftung errichteten“. Nach Recherchen in den Grund- und den Kirchenbüchern entdeckte die Familie, dass auf diesem Grundstück eine verfallende Kapelle gestanden hatte, die dem heiligen Bernard gewidmet war. Und damit wurde dieser Ort das neue Zuhause der Familie Maeght. Als erstes wurde die Kapelle renoviert – mit einigen planerischen Startproblemen: „Die Verzweiflung meiner Großeltern war groß, und ihre Freunde, darunter Miró, Léger oder George Braque, gaben ihnen den Rat: Geht nach Amerika, schaut, wie es andere machen, und dann kommt zurück, und wir machen etwas Einzigartiges.“
Ein Ort der Begegnung
Als Marguerite und Aimé wiederkamen, begannen sie die Pläne zu realisieren und engagierten dazu den katalanischen Architekten Josep Lluís Sert, der gerade das Atelier von Miró in Palma fertiggestellt hatte. Es sollte keinesfalls ein Museum werden, sondern ein Ort der Begegnung. Ein Ort, entworfen für die Kunst, gemeinsam mit den Künstlern. Befreundete Maler und Bildhauer schufen mit dem Architekten diesen Ort, an dem Kunst, Natur und Architektur zu einer perfekten Einheit verschmelzen. Isabelle Maeght erinnert sich, „dass wir Kinder darüber gar nicht begeistert waren. Für uns war dieses Land unser Spielplatz, und wir wollten den keinesfalls aufgeben. Aber unsere Großeltern und Eltern haben uns geschickt eingebunden, indem wir bei kleineren Aufgaben mithelfen durften. So steckten wir beispielsweise das Gelände mit Schnüren und Pfosten für die Gebäude, die geplanten Skulpturen und Kunstwerke ab. Dadurch haben wir Kinder verstanden, dass hier etwas Großes und Einzigartiges entstehen würde“.
„Kinder sind unsere Zukunft. Kinder müssen Freude haben und lachen.” – Isabelle Maeght
Kunst in der DNA
Das ganze Projekt, bestehend aus zwei Häusern, einem verbindenden Hof, war innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt. Eines der Häuser dient als privates Wohnhaus der Eltern von Isabelle Maeght, das andere als Kunsthaus. Im Außenbereich wurden „der Giacometti-Innenhof“ mit Skulpturen des Künstlers und das Miró-Labyrinth als Skulpturengarten geschaffen. Ebenfalls eingebettet in die Landschaft findet man ein Wandmosaik von Marc Chagall und Pierre Tal Coat und einen von Braque entworfenen Pool. Die Künstler verbrachten nicht nur während der Bauzeit regelmäßig im Jahr einige Wochen hier. „Sie alle waren Teil unserer Familie”, sagt Isabelle Maeght. „Es war völlig normal, dass sie da waren. Und diese wunderbare Freundschaft zwischen unseren Familien hat die Jahrzehnte überdauert und weiter Bestand. Auch heute haben wir noch regelmäßig Kontakt mit den Künstlern und deren Nachfahren und setzen gemeinsame Projekte um. Das ist immer einfach: Ein Anruf genügt. Die Zusammenarbeit ist stets unkompliziert, da wir die gleiche Sprache sprechen“.
„Onkel Sam” Beckett
Wann wurde ihr bewusst, mit welchen Kunstgrößen sie im Sommer gespielt hat und wer da Teil ihrer Familie war? „Nein, das war uns nie bewusst”, sagt Isabelle, „für uns waren sie einfach Familie. Eines Tages, ich war etwa elf Jahre alt, war Samuel Beckett bei uns zu Hause — mein Onkel Sam. Während des Abendessens habe ich zu ihm gesagt: Stell dir vor, Onkel Sam, heute haben wir in der Schule über den berühmten Schriftsteller Samuel Beckett gesprochen, der genauso heißt wie du und genauso aussieht, ist das nicht lustig? Und als wir im Naturkundeunterricht gefragt wurden, wie sich die Mammuts vermehren, habe ich gesagt: Sie legen Eier. Als die Lehrerin mich fragte, wie ich auf die Idee komme, sagte ich: Wir haben ein Mammutei daheim, von Onkel Joan Miró, und der würde mir ja keinen Unfug erzählen.“ Aufgewachsen in dieser Atmosphäre mit ihrer — um die bedeutendsten Künstler dieser Zeit erweiterten — Familie, konnte sich Isabelle nie ein anderes Leben vorstellen.
Kids first
Auch heute ist sie fast immer in der Fondation Maeght anzutreffen. Besonders am Herzen liegen Isabelle Maeght Kinder, und auch das hat Tradition. Die Fondation Maeght war das erste Museum Frankreichs, das Kindern gratis Eintritt gewährte. Isabelle Maeghts Beweggründe sind ganze einfach erklärt: „Kinder sind unsere Zukunft. Kinder müssen Freude haben und lachen. Wann immer ich in meinem Büro oder sonst irgendwo am Gelände unterwegs bin und ein Kind weinen höre, greife ich zu einem kleinen Trick. Ich laufe in unseren Shop, hole eine der Karten mit einem Kunstwerk darauf, und dann gehe ich zu dem weinenden Kind. Ich zeige ihm die Karte und sage: Ich kann dieses Kunstwerk nicht mehr finden, kannst du es bitte für mich suchen? Und meistens funktioniert das ganz gut. Das Kind hört auf zu weinen, habt eine Aufgabe, und es macht ihm Freude, zu helfen. Die Karte darf es danach natürlich behalten“.
Wie zum Beweis für die eben erzählte Geschichte, klingelt während unseres Gesprächs wieder einmal Isabelles Handy. Bisher hat sie immer kurz auf die Anzeige geblickt und es dann weggelegt. Diesmal ist es anders, sie hebt ab und plaudert kurz. Als sie auflegt, entschuldigt sie sich und sagt: „Mein Enkel, er ist fünf Jahre alt und wenn er anruft, muss ich abheben. Obwohl er noch klein ist, arbeitet er schon mit, und wenn er mir sagt, etwas wäre nicht in Ordnung, dann nehme ich das sehr ernst. Kinder sehen die Dinge, die sich nicht gut anfühlen und damit nicht so sind, wie sie sein sollten“.
Freiheit hat ihren Preis
Die Fondation Maeght arbeitet völlig unabhängig und kostet der Regierung Frankreichs keinen Cent, wie Isabelle stolz erzählt. Lediglich 2004 haben sie einmal 50.000 Euro für eine Renovierung und 2024 1,5 Millionen für den Zubau bekommen. Eine wichtige Einnahmequelle der Fondation Maeght sind schlüsselfertige Ausstellungen. Es gibt weltweite Kooperationen. „Die Konzepte dafür sind sehr individuell“, wie Isabelle versichert. Doch trotz dieser regelmäßigen Einnahmen hat die Freiheit der Unabhängigkeit ihren Preis. Es gibt nur ein sehr kleines Team, und die ganze Familie arbeitet mit. Ihr 94-jähriger Vater hat für den kommenden Katalog das Vorwort geschrieben und arbeitet auch sonst als Teil des Teams nach wie vor mit.
Regelmäßig gibt es neue Ausstellungen, und auch da hat die Familie Maeght eine ganz eigene Philosophie, wie Isabelle erzählt: „Wir wollen nicht, dass Menschen einfach nur eine Ausstellung besuchen, sondern Lust haben, einen ganzen Tag mit uns zu verbringen. Wir möchten, dass sie sich hier zu Hause fühlen.“ Genau das macht die DNA der Fondation Maeght aus, egal ob man einen Tag mit den Kindern verbringen möchte oder sich einfach mit einem Glas Champagner ins Café setzt — man nimmt die Atmosphäre auf und möchte nie wieder weg.
Start im Herzen
Auch die Konzepte für neue Ausstellungen folgen ihrem eigenen Weg. „Jede Ausstellung, die wir planen, startet bei uns im Herzen. Wir wollen die Geschichten zeigen, die die Künstler mit ihren Werken geschaffen haben, die sie erlebt haben. Es gibt so viele Geschichten zu erzählen und so viele Dinge zu zeigen, die man nur bei uns sehen wird. Das Konzept für eine Ausstellung entsteht erst danach. Das wird man auch bei unserer nächsten Ausstellung ‚Amitiés, Bonnard-Matisse‘ sehen“, erklärt Isabelle. Am 28. Juli 2024 wird nicht nur der 60-jährige Geburtstag der Fondation Maeght gefeiert, sondern es steht auch die Eröffnung der Erweiterung des „Kunsthauses“ an. Wichtig war es der Familie Maeght dabei, den Zauber des Orts nicht zu stören, daher wurde der gesamte Neubau im Untergrund „versteckt“. Wir durften bei unserem Besuch die damalige Baustelle besichtigen und haben natürlich die Aufforderung „Keine Fotos, bitte“ ernst genommen und werden sie zur Eröffnung auf Signature.at zeigen. Was wir aber jetzt schon sagen können: Es wird großartig. Raumhohe Fenster, lichtdurchflutete Räume werden die Möglichkeit geben, weitere 150 bis 200 Kunstwerke der rund 13.000 Kunstwerke umfassenden Sammlung zu zeigen.
In aller Freundschaft
Was waren die Prioritäten beim Neubau? „Wichtig war für uns”, erzählt Isabelle, „die Magie des Ortes beizubehalten, so wie er geschaffen wurde, aber mit modernen Lösungen. So wurden zum Beispiel die alten Bodenkacheln exakt so wieder aufgelegt wie früher. Aus Liebe zu den Künstlern und zur Kunst wurden auch die neuen Räume geschaffen.“ Am 29. Juli, einen Tag nach dem 60-jährigen Jubiläum, startet die Ausstellung „Amitiés, Bonnard-Matisse“. Der Fokus liegt dabei auf der innigen Freundschaft zwischen den beiden Künstlern und der Familie Maeght.
„Mein Vater ist einer der wenigen Menschen, der beide, Matisse und Bonnard, noch kannte. Als er die Erben mit der Idee zu dieser Ausstellung anrief, bekam er sofort die Zusage. Das ist einzigartig und nur möglich, weil meine Familie immer unglaublichen Respekt gegenüber den Künstlern und ihrer Arbeit hatte und hat. Alle wissen, wir würden die Künstler niemals hintergehen. Ich freue mich besonders auf diese Ausstellung, da uns bekannte Museen wie der Prado in Madrid oder das Centre Pompidou in Paris Werke für die Ausstellung zur Verfügung stellen. Und wir sehr persönliche Zeichnungen, die die Freundschaft der beiden Künstler Bonnard und Matisse zeigen, beisteuern. Etwa einen Briefwechsel der beiden, aber auch zwischen ihnen und meinen Großeltern Marguerite und Aimé. Noch nie wurden diese gezeigt.“
Alles Liebe von Braque
Wir hätten ewig weiter zuhören können, nach 2 Stunden ist es aber Zeit für den Aufbruch. Wenn man ein Flugzeug erwischen muss, darf man nicht trödeln. Nachdem wir noch Fotos gemacht haben (Isabelle: „Wir müssen Fotos machen, wie großartig, pink und rot, das passt ganz wunderbar“), meinte Ilona Perrot von Atout France (ein ganz großes Danke an die unglaublich einfühlsame und perfekte Übersetzung des Gesprächs) noch zu Isabelle: „Was für eine schöne Brosche.” Isabelle blickt kurz an sich herab und sagt: „Ein ganz besonderes Andenken von meiner Mutter zu meinem 40. Geburtstag, Braque hat sie entworfen“.
Ein Leben mit der Kunst und für die Kunst.
Best Friends
29.6. — 6.10.2024
Zum 60-jährigen Bestehen der Fondation Maeght wird die für diesen Anlass konzipierte Ausstellung „Amitiés, Bonnard-Matisse” gezeigt.
Musikalisches Erlebnis
17. April 2023
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