Der Schweizer Stardesigner Alfredo Häberli feiert sein 30-jähriges Firmenjubiläum. Signature hat exklusive Einblicke bekommen.
Bekannt für sein reduziertes und erfinderisches Design, zeichnet sich Alfredo Häberlis Arbeit durch Konsistenz und Vielseitigkeit aus. Er vermeidet Trends und vermittelt eine solide, dauerhafte Qualität, die sich mit Materialien, Technologien und der Gegenwart verbindet. Im Interview spricht er mit Signature über seine Anfänge als Zeichner für Architektur, seine Familienwurzeln in Argentinien und dem Prozess vom weißen Blatt Papier zum fertigen Design.
Herzliche Gratulation! Ihr Studio feiert dieses Jahr 30. Jubiläum. Können Sie sich noch an Ihren ersten Auftrag erinnern? Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die Zeit damals zurück?
Meine ersten Aufträge waren im Bereich der Ausstellungsarchitektur für das Museum für Gestaltung Zürich. Ich habe mir das Studium als Ausstellungsgestalter und Kurator finanziert. Ich entwickelte aber auch den Museumsshop und Kleinmobiliar. Später auch die Tische und die Stühle im Foyer. Als ersten Auftrag betrachte ich jedoch die Aufträge aus Italien, denn das war mein Traum und meine Vision: eines Tages für eine italienische Firma zu arbeiten und es in Mailand auszustellen. Es wurden ein Dutzend Teile für Driade, klein und groß, fünf Jahre nach meiner Studio-Gründung. Dann folgten sukzessive Luceplan, Alias, Zanotta und Edra.
Ihr persönliches Highlight aus 30 Jahren? Was macht es so besonders?
Als ich an der Möbelmesse am Stand von Alias das Regalsystem SEC präsentierte und die Journalisten und Designkollegen staunten.
Ihr Onkel arbeitete als Architekt, Ihre Mutter besuchte die Modeschule, Ihr Großvater war künstlerisch tätig. War es für Sie immer klar, dass Sie Designer werden wollen?
Nein. Ich schlug zuerst die Karriere als Zeichner für Architektur und die Gestalterische Berufsmittelschule ein. Design entdeckte ich während dieser Zeit, Mitte der Achtzigerjahre in Mailand. Die Stadt war ein Ersatz für mein sehr vermisstes Argentinien. Ich entdeckte die Showrooms von Zanotta, Cassina, Flos und ich entdeckte die Welt und Produkte von Achille Castiglioni. Da wusste ich, genau das möchte ich machen. Studiert habe ich dann an der Kunstgewerbeschule (heute Zürcher Hochschule der Künste), die Abteilung hieß Innenarchitektur und Produktentwicklung. Design war nicht in aller Munde. Wir waren nur 12 Studierende. Es war ein täglich gelebter Traum.
Sie sind in Buenos Aires aufgewachsen, leben in der Schweiz. Wie sehr hat dieser kosmopolitische Zugang Ihre Arbeit geprägt?
Ich muss schon sagen, Argentinien, der Humor (um zu überleben), jeden Tag als einen gewonnenen Tag zu nutzen, keine Angst zu haben vor Herausforderungen (weil es nie einen linearen Weg gibt), hat mich sehr geprägt. Ich liebe das Leben und habe im Beruf des Designers meine Berufung gefunden. Ich habe in über einem Dutzend Ländern gearbeitet. Jedes Land hat eine Eigenart, die es zu erkennen gilt, die aber auch für mich eine Faszination auslöst und eine große Inspirationsquelle ist. Wenn man das Heimatland verlässt, dann findet man, zumindest ich, in jedem Land ein bisschen Heimat. Und dies war der wirkliche Grund, warum ich international arbeiten wollte. Das Studio in Zürich zu haben, ist nicht nur strategisch gut, sondern gibt mir Bodenhaftung und Ruhe, die ich zum Arbeiten brauche. Es ist ein Labor der Ideen in einer sehr gut funktionierenden Stadt. Zürich ist internationaler, als man denkt. Dies alles prägt mein Leben und meine Haltung als Designer.
Wenn Sie auf diese 30 Jahre zurückblicken, gab es für Sie persönlich ein Learning in Sachen Design? Hat sich Ihr Stil verändert?
Das Wichtigste ist, drei gute Produkte mit der Industrie herzustellen. Dann ist es sehr schwierig, über so viele Jahre die Kontinuität zu halten. Sich immer wieder zu erneuern. Immer wieder von Null anzufangen. Die Neugierde nicht zu verlieren. Ich rede nicht gerne von Stil. Es ist mehr eine Denkweise. Ich möchte weiterhin mit wenig Mitteln viel ausdrücken. Den Produkten eine Seele geben und einen Mehrwert. Ich möchte, dass meine Produkte über die Zeit besser werden. Wenn ich meinen Stil beschreiben würde, dann suche ich die Präzision und die Poesie in einem Produkt zu vereinen.
Was macht für Sie gutes Design aus?
Für mich sind es die 6 H und die stehen für Humble (Bescheidenheit), Heart (Leidenschaft), Human (Humanismus), Humor (Augenzwinkern), Honest (Ehrlich und Transparent) und Holistic (Ganzheitlich) – und ein Zusätzliches steht in meinem Familiennamen.
Und was braucht es, um ein guter Designer zu sein? Welche Stärken? Haben Sie Vorbilder?
Als Designer bin ich manchmal Ingenieur, Architekt, Philosoph, Bildhauer oder Konstrukteur – das wechselt ständig, am Morgen, am Abend, während des Tages, während des Prozesses. Den Fokus nicht zu verlieren ist das Schwierigste, ist aber genau das, was ich als Designer haben muss. Vorbilder habe ich viele. Sie zeigen mir die Höhe, die zu springen gilt. Die Liste wäre unendlich, wie die Bücher, die ich von ihnen im Studio habe.
„Es sind Menschen, die Visionen haben und ehrlich sind, unabhängig von ihrem Bekanntheitsgrad.“ So haben Sie SIGNATURE einmal auf die Frage nach Ihrer Inspiration beantwortet. Gibt es eine Begegnung, die Sie besonders geprägt hat?
Meine Eltern und Großeltern gaben mir wichtige Werte mit: Achtung und Respekt vor der Natur, Tieren und Menschen. Die Begegnungen mit Enzo Mari, Achille Castiglioni und Bruno Munari waren für meinen Weg als Designer von großer Bedeutung. Genau über diese ersten Begegnungen mit wunderbaren Persönlichkeiten schrieb ich gerade ein Buch: „Verbal gekritzelt“ erschienen im Verlag Scheidegger & Spiess in Zürich. Aber auch die langjährige Freundschaft mit Konstantin Grcic und Jasper Morrison bedeutet mir sehr viel.
Sie designen Uhren, Autos, Möbel, Häuser… wie stellen Sie sich auf die unterschiedlichen Aufgaben ein?
Am Anfang ist immer ein weißes Blatt Papier. Ich gehe immer vom Menschen, vom Gefühl und Bedürfnis aus. Keine Show, nur pure Ehrlichkeit.
Wie wichtig ist dabei das Material, mit dem Sie arbeiten?
Seit den 70er Jahren hat uns die Industrie eine Unmenge an Materialien zur Verfügung gestellt. Jedes Material hat ein Pro und ein Kontra, dies gilt genau zu evaluieren. Heute ist das wichtiger denn je. Aber meine Lieblingsmaterialien sind einerseits Holz, denn damit kann ich vom Haus, zum Stuhl, zum Gefäß und sogar Flugzeug alles machen und es wächst nach, sowie Glas, das immateriell und magisch ist. Auch Draht ist besonders, da er für mich eine dreidimensionale Linie ist, mit der ich spazieren gehe.
Hat sich Ihre Arbeit durch KI & Co. verändert?
Wir tasten uns ran. Es wird viele Branchen maßgeblich verändern, doch eigentlich möchten viele Menschen doch nur, dass KI den Einkauf, das Kochen, das Putzen und die Wäsche für uns machen soll.
Sie sprechen gerne darüber, Ihren Traum als Designer zu leben. Was würden Sie sich in den nächsten 30 Jahren gerne noch erfüllen?
Ein Fahrrad oder ein Segelboot würde ich gerne entwerfen; das sind geniale Erfindungen, um vorwärtszukommen. Vielleicht auch ein Schreibgerät oder Zeichenstift, mit dem ich dann auch gleich ein Kinderbuch zeichnen könnte. Gleichzeitig ist ein immer wichtiger werdender Teil meiner Arbeit das Erstellen von „Visual Readers“. Das sind Recherchen und Studien, die Unternehmen helfen, neue Ideen zu entwickeln oder bestehende Werte neu zu justieren. Es ist eine Art der Forschungsarbeit, die mir nicht nur erlaubt, kreativ zu sein, sondern auch sehr viel Spaß macht und wertvolle Einblicke für meine Auftraggeber liefert.
Was ich noch sagen wollte…
Lass dich nicht vom Schein des Designs blenden. Kaufe meine letzten Bücher, dort stehen viele Anregungen. Nur geschrieben, kein Bild und kein Produkt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sehr gerne geschehen, danke Signature.
Nichts mehr verpassen – wir halten Sie auf dem Laufenden!
Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.
Die meisterhaften Formen des Santiago Calatrava
Designreisen von Pierre Marie
Top-Designer Pierre Marie bringt französischen Chic in die Welt. Aktuell arbeitet er für Hermès, den Salon del Mobile 2024 und den neuen Showroom in Paris und enthüllt die Inspirationsquellen hinter seinen einzigartigen Designs.
Von Disney zu Design
Pierre Marie lässt sich maßgeblich von der fesselnden Welt der Animationsfilme inspirieren. Besonders Klassiker wie „Le Roi et L’Oiseau“ von Paul Grimault und frühe Disney-Filme wie „Fantasia“ oder „Peter Pan“ haben seinen Schaffensprozess nachhaltig geprägt. Besonders inspirierend für seine dekorativen Designs sind für ihn das fantasievolle Storytelling, die leuchtenden Farben und die komplexen Details dieser Filme.
03. Mai 2024
Vienna Design Week und Rado Moving Materials: Francesco Ciccolella
„Moving Materials” fördert junge Motion Designer und präsentiert Arbeiten wie Francesco Ciccolellas “It’s About Time“, das die Zeitwahrnehmung kreativ erforscht.
Gemeinsam mit der Vienna Design Week hat der Schweizer Uhrenhersteller Rado den Wettbewerb „Moving Materials” ins Leben gerufen. Dieser Wettbewerb bietet sechs jungen Motion Designern die Möglichkeit, ihre Werke auf der großen Video-Wall der Rado Boutique in Wien zu präsentieren. Eine Besonderheit dieses Jahres ist die interaktive Beteiligung des Publikums, das online über die Sieger mitentscheiden kann.
27. September 2024
Österreichs Design-Elite
Im Mai wurden im Rahmen des BIG SEE Awards in Ljubljana herausragende Leistungen in Architektur und Innendesign ausgezeichnet – darunter das Boutique-Hotel NILS am See, entworfen von Mezza — Maiso. Linda Pezzei, BIG SEE Koordinatorin für Österreich, durfte den Award persönlich überreichen und mit dem Gestalter des Boutique-Hotels NILS am See Jürgen Hamberger sprechen.
BIG SEE ist eine Plattform aus Südosteuropa (SouthEast Europe), die als globales Sprungbrett für eine verantwortungsvolle, biointelligente Generation dienen soll. Eines der 21 Partnerländer ist Österreich, das in der internen Gesamtwertung der Länder in Bezug auf das kreative Potenzial hinter Italien den 2. Platz belegt. Bei den BIG SEE Awards im Mai standen Architektur und Innenarchitektur im Fokus. Einer der zahlreichen Winner aus Österreich: das interdisziplinäre Bureau für Innenarchitektur, Interieur und Design aus Wien Mezza — Maiso.
Travel — März 2022
Ausflug ins Morgenland
Trendforscherin Anja Kirig blickt in die Zukunft des Reisens.
— März 2023
Filmreife Performance
Das neue Samsung Galaxy S23 eröffnet eine neue Kamera-Ära, die sogar Topregisseur Ridley Scott begeistert.
Style & Trend — Juli 2021
Frischer Anstrich
Grün ist die Hoffnung und Trendfarbe der Uhrenwelt.