Franz Josef Baur blickt zurück auf seine Kindheit, spricht über kreative Freiheit, Selbstwahrnehmung und warum echte Kunst immer im Miteinander entsteht.
Der gebürtige Schwabe wirbelt derzeit die Wiener Kunstszene auf. Mit seiner Ausstellung “ALL EYES ON US” lädt er zur Auseinandersetzung mit Identität und Selbstwahrnehmung ein, zwischen Blicken, Bewertungen und dem eigenen Spiegelbild. Wir haben den Künstler getroffen, um mehr über kreative Synergien, persönliche Prägungen und seine Herkunft zu erfahren.
Was würden Sie retrospektiv dem Kommunionkind Franz Josef, der uns auf der ersten Seite Ihrer Signature- Strecke entgegenblinzelt, für einen Rat geben?
Franz Josef Baur: Ich würde ihm sagen: Sei mutig und höre auf deine innere Stimme! Nicht jeder Weg, den man dir zeigt, ist der richtige für dich. Manche Türen öffnen sich nur, wenn du den Mut hast, sie selbst aufzustoßen. Hab keine Angst vor Veränderungen oder davor, anders zu sein – oft liegt gerade darin deine größte Stärke.
Höre nie auf, Mensch zu sein. Bleib empathisch, neugierig und echt. In einer Welt, die sich oft nach Perfektion und Anpassung sehnt, ist deine Menschlichkeit das Wertvollste, was du hast. – Franz Josef Baur
Welchen Einfluss hat Ihre Kindheit in der ländlichen Idylle mit all ihren Vor- und Nachteilen für Sie als Konzeptkünstler gehabt?
FJB: Ich glaube, dass meine Kindheit einen sehr großen Einfluss auf mich als Konzeptkünstler und als Mensch hatte. Das Aufwachsen auf einem Bauernhof, umgeben von Tieren und Natur, war wunderschön und hat mir viel Raum zum Träumen gegeben.
Gleichzeitig habe ich aber auch gesehen, wie sehr meine Eltern mit der Arbeit auf dem Hof beschäftigt waren – Urlaub gab es nie. Okay, es gab keinen Urlaub, also habe ich mich in andere Welten geträumt. Im Nachhinein würde ich sagen, dass genau diese Mischung mich geprägt hat: Die Natur und das Dorfleben haben mir eine tiefe Verbundenheit zur Erde gegeben, aber auch den Antrieb, meinen eigenen Weg zu gehen. Diese Spannung zwischen Bodenständigkeit und kreativem Freiheitsdrang spiegelt sich bis heute nicht nur in meiner Kunst, sondern auch in meinem Wesen wider. Sie hat mich gelehrt, die Schönheit im Einfachen zu sehen, aber auch, dass Veränderung und neue Perspektiven wichtig sind, um sich weiterzuentwickeln.
In der Vergangenheit haben Sie bereits erzählt, dass Sie sich gerne verkleideten und da lieber Rotkäppchen als der Cowboy waren.
FJB: Ja, das stimmt! Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich darüber nachdenke. Als Kind war es mir völlig egal, was andere über mich denken. Mit vollem Selbstbewusstsein bin ich zum Fasching als Rotkäppchen gegangen, während die anderen Jungs Cowboys oder Batman waren. Heute wünsche ich mir manchmal wieder diese 100-prozentige Leichtigkeit zurück – und vielleicht auch ein bisschen mehr von diesem Mut.
Im Herzen ein Schwabe also! Von denen sagt man ja, sie seien besonders sparsam – stimmt das auch für Sie?
FJB: Ja, bin ich! Das ist Erziehung, die einem vorgelebt wird – das bekommst du nicht mehr raus! (lacht)
Sie leben mittlerweile in der Kultur-Hochburg Wien – sind Sie schon gut integriert?
FJB: Für mich war es nie schwer, mich in Wien zu integrieren. Ich bin mit dem ORF-Kinderfernsehen großgeworden, also war mir die österreichische Kultur nicht fremd. In den ersten Monaten hier habe ich dann auch fast nur Falco und Fendrich gehört – das hat den Einstieg noch leichter gemacht.
Heute agieren Sie als Konzeptkünstler; zuvor machten Sie sich als Designer und Modemacher einen Namen – unter anderem durch die Castingshow „GNTM“, stellten auf der Art Miami aus und bewegen sich souverän auf dem Wiener Society-Parkett. In eine Schublade lassen Sie sich nicht stecken. Ist das nun Fluch oder Segen?
FJB: Es ist ein Segen! Man muss sagen, dass ich derzeit in der Lage bin, mein Leben autark gestalten zu können. Dafür bin ich jeden Tag sehr dankbar. Daher habe ich auch den Luxus, nicht in eine Schublade passen zu müssen. Meine Kreativität entsteht außerhalb vorgegebener Konstrukte. Meine Vielseitigkeit hält mich neugierig und unabhängig. Ich möchte allen Menschen begegnen – das ist wahre Kunst. Schubladen sind für Dinge, nicht für mich.
„ALL EYES ON US“ heißt die neueste Werkstrecke, in die Sie unseren Signature-Lesern Einblicke gewähren. Masken, Fotografien, Installationen, Tanz und Gesang scheinen hier homogen miteinander zu verschmelzen. Was wollen Sie bei den Betrachtern mit Ihrer Arbeit auslösen und welches Feedback macht Sie glücklich?
FJB: Ich möchte beim Publikum ein Bewusstsein für die allgegenwärtige Beobachtung wecken – sowohl durch andere als auch durch uns selbst. Die Serie soll dazu anregen, über den eigenen Blick nachzudenken: Wann erkennen wir, wann verurteilen wir? Wie beeinflusst Fremdwahrnehmung unser Selbstbild? Ziel ist es, eine Reflexion über Identität und Selbstbewertung in einer Welt anzustoßen, in der Transparenz und Kontrolle immer präsenter werden. Besonders glücklich macht es mich, wenn ich Menschen auf eine tiefere Weise berühren kann – wenn sie sich darauf einlassen und beginnen, ihre eigene Wahrnehmung zu hinterfragen. Und wenn es nur ein einziger Mensch ist, den ich damit erreiche, ist das für mich bereits etwas Großartiges.
Musikerin Alexa Feser inspirierte Sie zu einer berührenden Komposition, die Ballerina Rebecca Horner in eine Performance verwandelte und Fotografin Hilde van Mas bildgewaltig in Szene setzte – einige Impressionen daraus zeigt unsere Bildstrecke. Wie wichtig sind Ihnen solche Synergien in Ihrem künstlerischen Schaffen?
FJB: Für mich gibt es nichts Schöneres, als mit Menschen zusammenzuarbeiten. Solche Synergien eröffnen neue Sichtweisen, bringen frische Ideen und lassen Kunst in unerwarteten Formen entstehen. Mit Alexa, Rebecca und Hilde verbindet mich nicht nur die gemeinsame kreative Arbeit, sondern auch eine echte Freundschaft. So viel Power, so viel Liebe – und jede von ihnen ist eine großartige Frau mit einer einzigartigen Sichtweise und einer unglaublichen Professionalität in ihrer Kreativität. Diese Energie und dieses Miteinander sind unbezahlbar. Kunst lebt von Austausch, Vertrauen und gegenseitiger Inspiration – genau so sollte es sein. Mein größtes Lebensmotto ist: Wer Liebe gibt, bekommt Liebe zurück.
„Wer Liebe gibt, bekommt Liebe zurück“ ist auch ein schöner Schlusssatz. Wenn man jetzt neugierig geworden ist, gibt es Ausstellungspläne oder Projekte?
FJB: Die Ausstellung „ALL EYES ON US“ läuft im Juni 2025, und es gibt einige spannende Projekte, an denen ich gerade arbeite. Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, findet die besten Infos auf meinem Instagram-Account.
AUSSTELLUNG
ALL EYES ON US
Pop-Up Galerie S7 – Grill & Guests
Seilerstätte 7, 1010 Wien
26. & 27.06.2025 von 12.00 18.00 Uhr
28.06.2025 von 12.00 bis 16.00 Uhr
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