In Prag ist Design nicht mehr nur ein reines Event, sondern eine Stimmung, eine Haltung – Alltag im besten Sinne. Zwischen Ausstellungshallen und Hotellobbys, Mode und Materialien, Mut und milchigem Glas verändert die Stadt stetig ihre eigene Wahrnehmung – und die ihrer Gäste.
Prag ist in Bewegung. Nicht laut, sondern leise, stetig, fast unmerklich. Zwischen den Gerüsten des Industriepalastes, wo Bauzäune dasVýstaviště Praha umrahmen, riecht es nach Betonstaub und Regen. Die Stadt wirkt, als würde sie gleichzeitig sanieren, sich neu erfinden und innehalten. Arbeiter tragen Metallstangen durch den Nebel, Maschinen hämmern, und hinter all dem erhebt sich die filigrane Eisenkonstruktion des Jugendstilgebäudes aus dem Jahr 1891 – ein Stück Geschichte, das gerade neu geschrieben wird.
Nur wenige Schritte weiter beginnt das, was Prag jedes Jahr für ein paar Tage in einen Ausnahmezustand versetzt: der Designblok. Die frisch sanierten Křižík-Pavillons glänzen dezent im grauen Morgenlicht – keine spektakuläre Kulisse, sondern eine ehrliche. Das Gelände, lange im Dornröschenschlaf, ist zurück. Und mit ihm das Gefühl, dass Design hier kein Luxus ist, sondern Teil einer größeren Bewegung: der Stadt beim Werden zuzusehen.
Später, im Almanac X Alcron, wirkt Prag ruhiger, gesammelter. Die Lobby ist warm, der Duft von Kaffee aus dem angrenzenden Bistro Elias liegt in der Luft. An den Wänden hängen die leuchtenden Gemälde von July Haluzová, die den Raum in Bewegung halten, ohne ihn zu dominieren. Design ist hier kein Dekor, sondern eine Sprache, die man sofort versteht – in den Materialien, im Rhythmus und im Blick für das Wesentliche.
Designblok – Motor, nicht Mittelpunkt
Seit 1999 zeigt das Festival, was tschechisches und europäisches Design kann. Inspiriert von der Mailänder Möbelmesse begann es einst mit 14 Ausstellern – heute ist der Designblok das größte Designfestival Mitteleuropas, mit über 48 700 Besucher und 265 Ausstellern aus ganz Europa. 32 davon stellten heuer erstmals aus, 19 kamen aus dem Ausland. Insgesamt zog das Festival auch über frei zugängliche Ausstellungen und Stadt-Events ein Rekordpublikum an. Das Publikumsvoting entschied in diesem Jahr ein studentisches Projekt der Fakultät für Architektur in Brünn für sich – Spender für Menstruationsprodukte im öffentlichen Raum, entworfen, um auf Periodenarmut aufmerksam zu machen. Ein Entwurf, der tatsächlich in Serie ging: 55 Spender wurden während des Semesters umgesetzt und installiert.
Einer der ersten Designbloks fand damals im ehrwürdigen Hotel Evropa am Wenzelsplatz statt – ein Ort voller Jugendstilgeschichte, der heute als W Prague neu eröffnet wurde. Die Rückkehr dieser Adresse ins Designbewusstsein schließt einen Kreis: Vom Pioniergeist der ersten Designblok-Ausgabe bis zur heutigen Hotellandschaft, in der Design zum gelebten Alltag gehört. Neben dem W Prague setzen auch Häuser wie das Fairmont, Andaz oder das Mandarin Oriental auf regionale Kreativität und arbeiten selbstverständlich mit tschechischen Designer, Studios und Manufakturen zusammen. Prag ist so nicht nur Festivalstandort, sondern eine Designbühne, die 365 Tage im Jahr bespielt wird. Das diesjährige Thema: „Odvaha – Courage“, Mut. Ein Motto, das in Prag erstaunlich leise klingt – weil es selbstverständlich geworden ist.
Ja, Patricia Urquiola, Erwan Bouroullec und Mary McCartney waren da, die großen Namen. Doch die eigentliche Stärke des Festivals liegt woanders: darin, wie es sich in die Stadt hinein ausdehnt, in Galerien, Museen, Hotels. Wie es Design nicht konzentriert, sondern verteilt. Neu waren heuer auch das Format Designblok Talks – eine internationale Konferenz, die über 500 Fachleute aus Architektur, Design und Journalismus anzog – sowie der Designblok Kids Pavilion, der den Nachwuchs an die kreative Praxis heranführte. Mit der interaktiven „Wall of Joy“-Installation sammelte das Festival gemeinsam mit der Tereza Maxová Foundation über knapp 10.000 EUR für Kinder in Not – ein weiteres Zeichen dafür, dass Design in Prag auch gesellschaftliche Verantwortung trägt.
Das Almanac – ein Hotel als Dialog
Einer dieser Orte ist das Almanac X Alcron Prague – offizieller Partner des Festivals und ein Paradebeispiel dafür, wie Hospitality und Design ineinandergreifen können. Das Haus, 1932 als Art-Déco-Ikone eröffnet, wurde in den letzten Jahren feinfühlig modernisiert. Heute verbindet es Geschichte mit Gegenwart, Stil mit Haltung.
Im Alcron Bar Room, gestaltet in Zusammenarbeit mit dem legendären Qubus Studio, werden Cocktails in Porzellan- und Glasgefäßen serviert, die man am liebsten gleich mitnehmen möchte. In der Lobby wartet die Installation „Creative Synergy“ des Glasstudios DECHEM und Illustrators Michal Bačák. Und in der Presidential Suite by Rückl, entworfen von Kateřina Handlová, leuchtet böhmisches Kristall in allen Facetten – jedes Stück kann gekauft werden, jedes erzählt vom handwerklichen Erbe dieser Stadt.
Für Hoteldirektorin Alena Špišiaková ist das kein Gimmick, sondern Programm. „Wir wollen Design nicht nur zeigen – wir wollen es leben“, sagt sie. Bald wird das Haus um eine neue Dimension erweitert: eine Rooftop-Terrasse mit 360-Grad-Blick über Prag, ganzjährig nutzbar, verbunden mit der lokalen Kunstszene. Den Auftakt macht Mary McCartney, die hier nach ihrer Schau im Rudolfinum ihre nächste Ausstellung zeigen wird. Ein Hotel als kultureller Resonanzraum – mitten in der Stadt.
Designstadt Prag – Räume in Bewegung
Wer während des Festivals durch Prag streift, erkennt schnell, dass Design hier nicht an der Messetür endet. Im Museum of Decorative Arts widmet sich die Ausstellung „Odvaha: Women in Architecture and Design“ der weiblichen Perspektive auf Form und Funktion. Die Villa Kovařovic, ein Meisterwerk des tschechischen Kubismus, beherbergt mit BOMMAs Installation „Cabinets of Reminiscence“ eine poetische Begegnung zwischen Glas, Duft und Illusion. Im Museum Kampa zeigt „cityLOVE“, wie Design soziale und urbane Fragen neu verknüpfen kann, und im Royal Summer Palace auf der Prager Burg wird mit der „High Craft Collection“ Handwerk als Zukunftssprache gefeiert.
Mode als Teil der Bewegung
Auch die Mode ist längst Teil dieser Erzählung. Die Diploma Selection Fashion Shows, heuer in der Nová Spirála, zeigen jedes Jahr die Absolventen europäischer Designhochschulen. In diesem Jahr: Kollektionen zwischen Körper und Konzept, Tradition und Technologie. Besonders stark: Leon Sebastian Leiß, der Queerness mit bayerischer Folklore verknüpft, und Mascha Berger, die Digitalität und Handwerk zusammenführt. Die Gewinnerin im Modedesign, Andrea Rehbein aus Schweden, überzeugte mit einer Kollektion über die „Akrobatik des Fleisches“ – poetisch, eigenwillig, mutig.
Von Courage zu Kontinuität
Vielleicht ist genau das das Besondere an Prag: dass Design hier kein Ereignis, sondern Alltag ist. Es zeigt sich in der Glasoberfläche einer Rückl-Vase, in der Textur eines Teppichs, im rhythmischen Zusammenspiel aus Geschichte und Gegenwart. Die Stadt hat gelernt, ihr kreatives Erbe nicht zu konservieren, sondern weiterzudenken.
Der Designblok liefert dafür jedes Jahr aufs Neue den Anstoß – doch die Energie bleibt. In Hotels wie dem Almanac, in Studios, Galerien, auf der Straße. In Momenten, in denen man sie gar nicht erwartet.
Eine Stadt, die nicht stillsteht
Dass Designblok heute dort stattfindet, wo alles begann – im Výstaviště Praha, den Křižík-Pavillons – wirkt fast symbolisch. Hier treffen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft buchstäblich aufeinander:
Nebenan wächst der Industriepalast aus seinem Baugerüst, während die Stadt drumherum neue Räume schafft – für Kultur, Begegnung, Wandel.
Vielleicht ist das das schönste Bild für diese Stadt: Prag baut, entwirft und gestaltet weiter. Aber mit Gefühl.
Designblok 2026: Light – On Design and Illumination
6. – 11. Oktober 2026
Výstaviště Praha & City Venues
Nach dem Rekordjahr 2025 steht die 28. Ausgabe des Designblok, Prague International Design Festival ganz im Zeichen des Lichts – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Tipp: Ein besonderer Fokus liegt diesmal auf der Rolle von Design als gesellschaftlicher Orientierungspunkt – ein Thema, das sich auch in der Stadt selbst spiegeln wird: von den wiedereröffneten Hallen des Industriepalasts bis zu den Rooftops der neuen Designhotels.
Weitere Infos und Akkreditierung: designblok.cz
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