Der Hype um den aus Ghana stammenden Maler Amoako Boafo ist gewaltig: In Wien ausgebildet, werden seine Bilder immer wieder mit jenen Schieles verglichen.
Es war im vergangenen Frühjahr, als eine der weltweit größten und wichtigsten Galerien, Gagosian in New York, dem ghanaischen Maler Amoako Boafo eine Einzelausstellung ausrichtete. All die Motive, mit denen Boafo in den Jahren zuvor den Kunstmarkt entzückt und es damit bis ins New Yorker Guggenheim Museum geschafft hat, waren in dem Galerieraum in Chelsea zu sehen: pastose, teils mit den Fingern gemalte Porträts von Freunden und schwarzen Identifikationsfiguren vor flächigem oder auch wild ornamentalem Hintergrund.
Boafo allein in New York
Die Aufmerksamkeit angesichts der Einzelausstellung der New Yorker Über- Galerie für den damals 37-jährigen Shootingstar aus dem westafrikanischen Land war gewaltig, das Kaufinteresse groß. Das Problem nur: Amoako Boafo hatte bereits vor Beginn der Ausstellung seine Galerie informiert, keines seiner Bilder in New York verkaufen zu wollen. Interessierte konnten erst kurze Zeit später in der ghanaischen Hauptstadt Accra zuschlagen, wo Boafo seine eigene Foundation dot.ateliers gegründet hat.
Vom Tennisplatz in die Kunstwelt
In Accra wurde Amoako Boafo 1984 geboren, sein Vater Fischer, die Mutter Köchin. Mit Kunst hatten die beiden ebenso wenig zu tun wie der Rest der ärmlichen Umgebung, in der Boafo aufwuchs. Dessen Lieblingsbeschäftigungen: Tennis – und Malen. Gemeinsam mit seinen Freunden verbrachte Boafo ganze Tage damit, kleine Malwettbewerbe auszutragen, bevor es ihn wieder auf den Tennisplatz zog. Freunde, Familie, die eigene Community: Sie sind heute noch Boafos wichtigster Referenzpunkt, auch wenn seit seinen Kindheits- und Jugendjahren in Accra viel passiert ist: ein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien, der blitzartige Aufstieg rund um die Art Basel in Miami 2019, eine Kollektion von Dior-Männermodedesigner Kim Jones mit Motiven Boafos, Ankäufe von wichtigen Privatsammlern, aber auch großer öffentlicher Museen. Im Herbst wird nun die erste institutionelle Ausstellung des ghanaischen Malers in Europa zu sehen sein: im Belvedere in Wien.
Eine Stimme für Afrikas Kunst
2020, auf dem Höhepunkt des internationalen Boafo-Hypes, ging ein Bild des Künstlers um 813.000 Euro beim Auktionshaus Phillips über den Ladentisch. Geld, das der Künstler schlicht auf den Putz hauen hätte können. Doch für Boafo stehen andere Dinge im Vordergrund: Im Dezember vor zwei Jahren eröffnete er seinen Kunstraum dot.ateliers in Accra, der die lokale Kunstszene unterstützt und ein eigenes Residency-Programm für ghanaische Künstlerinnen und Künstler unterhält. Repräsentation von Blackness, schwarzer Stolz, aber auch schwarze Verletzlichkeit, das waren und sind bis heute Boafos Themen.
Finger oder Pinsel? Warum nicht beides!
Bereits als er an der Akademie in Wien studierte, war eine der Fragen, die Boafo am häufigsten gestellt wurde, warum er ausschließlich schwarze Menschen porträtierte. Am Kunstcollege in Accra, wo Boafo zuvor studiert hat, wäre diese Frage niemandem in den Sinn gekommen. Doch nicht nur die Wahl der Motive erregte Aufmerksamkeit, auch Boafos Technik verblüffte die Kunstwelt. Wie selbstverständlich kombiniert er Finger- und Pinselmalerei und erzielt damit verblüffende Effekte. Gesichter erscheinen durch Boafos Fingermalerei so ausdrucks- und charakterstark, wie man sie kaum je gesehen hat. Vergleiche mit Egon Schiele waren schnell zur Hand – und wurden von Boafo nicht zurückgewiesen. Im Gegenteil: Als er in Wien studierte, tauchte Boafo tief in die Kunstgeschichte ein und verbrachte viel Zeit in Museen. Seine zentrale Frage: Wie kann man figurativ, aber gleichzeitig ganz frei malen?
Schiele vs. Boafo: Meister der Provokation?
Antworten fand er genauso bei den verrenkten Körperbildern Schieles wie bei den ornamentalen Zugängen eines Gustav Klimt. Oder um es anders zu sagen: Die plastische Darstellung des menschlichen Körpers trifft bei Boafo auf plan gestaltete Bildpartien oder ein Spiel mit Ornamentik, das genauso Anleihen bei floralen oder geometrischen Tapetenmustern nimmt, wie es mit politischen Kleidungscodes der schwarzen Kultur spielt. Immer wieder zitiert Boafo literarische Werke von Vorläufern der schwarzen Freiheitsbewegung, seine erste große Bilderserie nannte er „Body Politics“. Damit traf und trifft Boafo genauso den Zeitgeist, wie er ihn in Frage stellt.
Ghana im Fokus/Kunstspiel nach eigenen Regeln
So virtuos Boafo auf der Klaviatur der Kunstwelt spielt, so vehement versucht er dies nach eigenen Regeln zu tun. Ganz einfach ist das natürlich nicht, rund um die Preise für seine Bilder wurde immer wieder der Vorwurf des Art Flippings erhoben, also der schnellen Spekulation mit besonders gehypten Kunstwerken. Bei der Einzelausstellung in New York im vergangenen Jahr nahm Boafo den Fuß vom Gas. Wer eines seiner Bilder kaufen wollte, musste nach Ghana, wo Boafo nicht nur seiner eigenen Kunst, sondern auch jener anderer lokaler Künstlerinnen und Künstler eine Bühne bietet – damit Ghana nicht genauso schnell wieder von der Kunstlandkarte verschwindet, wie es dort aufgetaucht ist.
Save the Date
Das Wiener Belvedere richtet Amoako Boafo ab 25. Oktober 2024 die erste institutionelle Ausstellung in Europa aus. Damit schließt sich ein Kreis: Der 1984 in Accra (Ghana) geborene Boafo studierte von 2014 bis 2019 an der Akademie der bildenden Künste in Wien, bevor seine Bilder am internationalen Kunstmarkt durch die Decke gingen.
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