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Als Leiterin des Architekturfestivals TURN ON setzt die Architekturtheoretikerin Akzente in der Praxis. Ein Talk mit Margit Ulama über gestaltete Atmosphäre.

Als Gründerin des renommierten Architekturfestivals TURN ON ist Margit Ulama Expertin in Sachen Theorie und Organisation von Architektur. Dabei scheut die Linzerin auch nicht vor ganz praktischen Impul­sen für die Raumgestaltung zurück. Ein Gespräch über architektonische Highlights und die Zukunft des Wohnens. 

Für mich ist Architektur die perfekte Kombination von Kunst und Alltag. Eine Kunst, die man auch benutzen kann.“

Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie entschieden haben: Ich möchte Architektin werden?
Eigentlich wollte ich Lehrerin werden, weil ich so eine tolle Volksschullehrerin hatte. Irgendwie hat mich dann jedoch das Thema Kunst interessiert. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, wo Kunst und Architektur kein Thema waren. Mein Zugang dazu war anfangs daher durchaus rudimentär: Ich habe immer aus der Zeitschrift Brigitte“ die Seite mit den Fotos und Beschreibungen eines konkreten Kunstwerks gerissen. Kunstgeschichte erschien mir als Studium jedoch irgendwie zu realitätsfern, und dann habe ich mich spontan für das Studium der Architektur entschieden. 

Sie sind erfolgreiche Architekturtheoretikerin. Theorie oder Praxis – war diese Entscheidung für Sie immer klar?
Bereits während des Studiums war schnell klar, dass ich keine begnadete Zeichnerin bin. Viel lieber als über dem Zeichenbrett saß ich vor der Schreibmaschine. Bereits mit 20 Jahren arbeitete ich in der Redaktion des damaligen Fachmagazins UMBAU mit. Ich habe die Momente geliebt, als ich mit den wunderbaren Architekten Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger beim Kleben des Layouts gesessen bin und so viel lernen durfte. Dort habe ich für mich ein Verständnis dafür entwickelt, was Architektur sein kann: nicht das reine Zeichnen von Plänen, sondern die perfekte Kombination von Kunst und Alltag. Für mich ist genau dieser Aspekt das Faszinierende an Architektur: Sie hat einen praktischen Zweck und einen künstlerischen Aspekt. Wenn man so will, ist sie Kunst, die man benutzen kann. Das macht Architektur meiner Meinung nach einzigartig! 

Was macht gute Architektur für Sie aus?
Architektur auf höchster Ebene ist für mich, wenn Materielles in Atmosphärisches umschlägt. Einen derartigen Moment durfte ich erst unlängst in einem Stall, für eine besondere japanische Rinderrasse gebaut, erleben. Als ich diesen mit dem Bauer und dem Architekten besichtigte, entstand eine fast sakrale Stimmung. Derartige Gebäude finden sich extrem selten. Man kennt das meist eher von historischer Architektur wie etwa dem Stephansdom. Wenn man diesen betritt, entsteht auch eine ganz besondere Stimmung.

Das Argument, dass gute Architektur teurer ist, stimmt so nicht. Man muss nur geistige Flexibilität ohne Vorbehalt zeigen und diesen Mehraufwand nicht scheuen.”

Kann man definieren, mit welchen ­Elementen Architektur eine derartige Atmosphäre schaffen kann?
Nein, das kann man nicht an einzelnen Elementen festmachen. Derartige Momente passieren einfach und sind natürlich auch immer subjektiv. Wobei es natürlich Architekten gibt, die mit ihren Bauten vermehrt eine ganz besondere Atmosphäre schaffen, Le Corbusier war etwa so ein Beispiel. Und gerade historische Gebäude sind auch durch ihre Zeit geprägt. So wurden etwa sakrale Bauten oft an Kraftplätzen errichtet – was heute kaum mehr der Fall ist. 

Lässt sich bereits beim Planen eines ­Gebäudes die Atmosphäre erahnen?
Nein, das kann man erst wissen, wenn das Gebäude fertig ist. Dann, wenn man den Raum auch wirklich erleben kann. Beim Planen kann man das nicht empfinden, ­dazu muss man im Gebäude stehen. 

Wie hat sich das Verständnis von Architektur in den letzten Jahren verändert?
Das industrielle Bauen hat natürlich die Architektur verändert. Unter der Quantität leidet natürlich die Qualität. Handwerkliches ist nicht mehr so gefragt, Masse zählt. Selbstverständlich benötigen wir neuen Wohnraum. Allerdings fehlt hier bei vielen Bauträgern das Bewusstsein, dass Architektur dabei eine zentrale Rolle spielen sollte. Baukultur hat für Investoren oft keinen Wert, was meiner Meinung nach ­extrem schade ist. Jede Disziplin – ob jetzt Bauträger, Architekt oder Ökologe – hat ihr Know-how, das gemeinsam für ein optimales Ergebnis genutzt werden sollte. Denn nur so lässt sich gute Architektur verwirklichen. Das Argument, dass gute Architektur teurer ist, stimmt so nicht. Man muss nur geistige Flexibilität ohne Vorbehalt zeigen und diesen Mehraufwand nicht scheuen. Dann hätten wir in unserem Stadtbild schon viel mehr tolle Bauten. 

Es begegnet einem wunderbare Architektur in den alltäglichsten Situationen – von der außer­gewöhnlichen Tiefgarage bis zum Besuch eines neuen Restaurants.”

Welchen Beitrag kann Architektur für die Gesellschaft leisten?
Architektur bietet einen großen Beitrag für die Gesellschaft – für jedes Individuum, für die Gesellschaft und auch für die Wirtschaft. Etwa kommen Touristen oft wegen historischer oder auch moderner Architektur in eine Stadt. Auf der anderen Seite ­errichten immer mehr Konzerne beein­druckende Zentralen mit dem Argument, mit diesem Arbeitsumfeld Topmitarbeiter ­motivieren zu können. Ich bin überzeugt davon, dass es einen Unterschied macht, in welchem Raum man arbeitet, lebt.

Analysieren Sie immer und überall die Architektur in Ihrem Alltag?
Natürlich beobachte ich die Architektur in meiner Umgebung genau. Dabei begegnet einem wunderbare Architektur in den alltäglichsten Situationen – von der außer­gewöhnlichen Tiefgarage bis zum Besuch eines neuen Restaurants. Wichtig ist für mich dabei immer: Wie fühlt sich ein Raum an? Es geht letztlich aber immer auch um interessante Entwurfsstrategien. Auch beim modernen Wohnbau gibt es viele schöne Beispiele. Wien hat in dieser Hinsicht etwa eine besondere Tradition.

Sie haben 2003 das Architekturfestival TURN ON gegründet. Was war die Idee dahinter – damals und jetzt?
Ich war als Referentin beim Literaturfestival Rund um die Burg“ eingeladen und dachte mir: Das braucht es für die Architektur auch! Ich bin dann ziemlich unerschrocken und hartnäckig an die Sache rangegangen, habe Sponsoren gesucht und versucht, ein erstes Programm auf die Beine zu stellen. 2003 hat es auf Anhieb geklappt und wir sind mit einem Tag TURN ON gestartet. Mittlerweile haben wir zweieinhalb Tage, die dicht mit Beiträgen natio­naler und internationaler Vortragender ­gefüllt sind. Dieses Jahr 2020 konnte ich Yvonne Farrell, die gemeinsam mit Shelley McNamara das renommierte Büro Grafton Architects in Dublin führt, für den Festvortrag gewinnen. Ein absoluter Glücksfall! Zwei Tage vor Veranstaltungsbeginn wurde verkündet, dass die beiden Architektinnen mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet werden. 

Mein Ziel ist, dass Investoren und Bauträger durch TURN ON ein neues Verständnis von Architektur erhalten und konkrete Anregungen aufnehmen.”

Welche Impulse für die Zukunft wollen Sie mit dem Festival geben?
Mein Ziel ist, dass Investoren und Bauträger durch TURN ON ein neues Verständnis von Architektur erhalten und konkrete Anregungen aufnehmen. Alle Architekten, die bei TURN ON am Samstag zu Wort kommen, werden sorgfältig ausgewählt. Ich erstelle eine Shortlist. Die finale Auswahl für die Vorträge am Samstag passiert gemeinsam mit einem Beirat. Hier geht es rein um Kompetenz und Qualität. Das ist eine Fülle an Wissen und kreativem Potenzial, das es zu nutzen gilt. Eine unheimlich gute Möglichkeit, die architektonischen ­Aspekte etwa im Wohnbau weiter zu steigern und damit die Qualität des Städtebaus. Mein großer Wunsch ist, dass jede Disziplin – vom Investor über den Architekten bis zum Ökologen – seine Kompetenz einbringt und man so gemeinsam das beste Ergebnis erzielt.

Wie darf Architektur für Sie nicht sein?
Abgeschleckt“ und vordergründig. Absolutes Negativbeispiel ist für mich etwa der Zubau zum Flakturm im 6. Wiener Bezirk; auch der neue Westbahnhof hätte viel ­ambitionierter gelöst werden müssen. Das sind natürlich komplexe Projekte, keine Frage. Aber ich mag das Gegensätzliche in der Architektur. Positives Beispiel für Architektur im Alltag sind für mich etwa die U‑Bahn-Stationen – sowohl die historische Stadtbahn von Otto Wagner als auch die modernen Stationen Richtung Aspern. Diese sind nicht nur architektonisch toll gelöst, sondern symbolisieren für mich auch Weitsicht. Sie wurden gebaut, noch bevor der Wohnbau in Aspern entstand. 

Wird die aktuelle Situation die Zukunft des Wohnens beeinflussen?
Hoffentlich nicht, indem noch mehr Einfamilienhäuser gebaut werden und der Landverbrauch steigt. Was es braucht, ist eine sinnvolle, kluge Raumplanung. Konzepte, die verdichteten Wohnbau mit Freiräumen in ansprechender Form ermöglichen. Architektur kann hier die Vision für ein Leben in der Zukunft bieten. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Erbauliche Theorie

Margit Ulama studierte Architektur an der TU in Wien und gilt als renommierte Expertin für das Thema Architektur Theorie und ‑Organisation – was auch der Name ihres Wiener Büros ist. In ihrer vielseitigen Laufbahn ist sie als Schriftstellerin, Architekturtheoretikerin und Kuratorin von Architekturwettbewerben und ‑symposien tätig. Nähere Informationen zu Margit Ulama und zum Festival TURN ON finden Sie unter ulama​.at und turn​-on​.at

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02. Mai 2023 Zinkenbacher 1

Kunstoase

Von 17. Juni bis 08. Oktober 2023 widmet sich das Museum Zinkenbacher Malerkolonie ihren Schülern und Meistern.

Bereits im im frühen 20. galt die Zinkenbacher Malerkolonie im Bundesland Salzburg als ein bedeutender Treffpunkt der österreichischen Kunsszene. Die kreativen Köpfe, die hier zusammenkamen, prägten ihrer Zeit und haben bis heute Einfluss auf die Kunstgeschichte Österreichs. Das Museum selbst ist in einem historischen Gebäude untergebracht. Die Räume der ehemaligen k.k. Volksschule St. Gilgen wurden liebevoll restauriert und bieten den Museumsgästen mit einer Sammlung von mehr als 300 Werken einen authentischen Einblick in das Leben und Schaffen der Künstler. 

Die kommende Ausstellung Meister – Schüler – Meisterschüler“ kann als eine Hommage an die Professoren und Schüler der Malerkolonie gesehen werden. Sie konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die Werke der Schüler und Schülerinnen und verlässt bewusst die eigentliche Wirkungszeit der Zinkenbacher Malerkolonie, also die Zwischenkriegszeit, um die künstlerischen Tendenzen nach 1945 zu erkunden. Erstmals in der Geschichte des Museums werden mehrheitlich Werke der 1950er, 1960er und 1970er Jahre präsentiert. Auch die Thematik der Ausbildung weiblicher Kolleginnen wird Eingang in die Ausstellung finden. Gäste dürfen sich auf eine Vielzahl von Werken aus der Sammlung der Artothek des Bundes freuen, darunter Werke von bekannten Künstlern wie Arik Brauer, Wolfgang Hollegha, Alfred Hrdlicka, Josef Mikl, Florentina Pakosta, Lisel Salzer und Peter Sengl. Ein umfassender, informativer Ausstellungskatalog vertieft außerdem die Einblicke in die präsentierten Inhalte und Werke.

malerkolonie​.at

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22. September 2022 Häberli c Rado

Neue Avantgarde

Designer Alfredo Häberli über Präzision, Perfektion und neue Pläne. Ein Talk.


Vom Stuhl Interface“, dessen Verwendungsmöglichkeiten ganz von der eigenen Vorstellungskraft abhängen, über das Bücherregal Pattern“, das sowohl horizontal als auch vertikal Stabilität gibt, bis hin zum Einfamilienhaus Haussicht“ im Holzdesign: Man könnte sagen, Alfredo Häberli hat seiner Kreativität bereits in allen Designbereichen freien Lauf gelassen. Im Gespräch erzählt er von seinem Zugang zur Perfektion, Projekten wie dem 25hours Hotel in Zürich und wer ihn in seiner Arbeit inspiriert. 

Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry meinte: Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“ Würden Sie diese Aussage in Bezug auf Design bestätigen?

Ja, kann ich. Noch lieber sehe ich aber mit dem Herzen („Der kleine Prinz“). Ich frage mich dennoch, wie weit Perfektion anzustreben ist? Ich denke, eine gewisse Präzision und Eigenständigkeit empfinde ich als wertvoller als Perfektion. Ich schätze Dinge, die nicht ganz perfekt sind, ein wenig mehr, denn sie regen mich zum Nachdenken an.

Welche Begriffe beschreiben Ihre Designs am besten?

In zwei Worten: Präzision und ­Poesie. Genauer gesagt ist es das Lineare und Erfinderische der Präzision auf der einen Seite und das Unbeschreibliche, Intuitive, Kunstvolle der Poesie auf der anderen. Im Moment beschäftige ich mich mit der intuitiven Intelligenz.

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11. März 2024 Schirn Zaehne

50 Jahre Hip-Hop-Feier in Kunsthalle Schirn

Über 100 Gemälde von internationalen Künstlerinnen und Künstlern

Was in der New Yorker Bronx in den 1970er-Jahren als kultu­relle Bewe­gung unter schwar­zen und latein­ame­ri­ka­ni­schen Jugend­li­chen begann, ist längst zu einem globalen Phänomen geworden. Mittels Graf­fitis und Break­dance, durch MC-ing und DJ-ing übte Hip-Hop Kritik an vorherrschenden Strukturen und entwarf Gegenerzählungen frei von Rassismus oder Sexismus. Anlässlich seines 50en Geburtstags widmet die Schirn Kunsthalle Frankfurt dem Hip-Hop und seinem tief­grei­fen­den Einfluss auf die aktu­elle Kunst und Kultur eine große, inter­dis­zi­pli­näre Ausstel­lung. Basie­rend auf den Ursprün­gen der Bewegung in den USA, aber mit Fokus auf Kunst und Musik der letz­ten 20 Jahre, werden über 100 Gemälde, Foto­gra­fien, Skulp­tu­ren und Videos sowie Mode und Vinyl von inter­na­tio­nal bekann­ten Künstlerinnen und Künstlern der Gegen­wart präsen­tiert. Gegliedert ist die Ausstellung in die sechs Themenbereiche Pose, Marke, Schmuck, Tribut, Aufstieg und Sprache und deckt damit alle Aspekte dieser so einflussreichen Kulturtechnik der Gegenwart ab.

Noch bis 26. Mai 2024!

www​.schirn​.de

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