Wie sich internationale Haubenköche durch die Pandemie kochen. Ein kulinarischer Abstecher ins Mugaritz.
Wir leben in Zeiten, in denen Vorsorge und Vorausschau nicht unbedingt mit schweißtreibendem Kornaufsammeln verbunden sind. Mehr noch, glücklicherweise und in unseren Breiten: Nicht etwa nur pure Nahrungsaufnahme ist das alleinige Ziel, sondern die gehobene Vorfreude am Gaumenkitzel, am antizipierten Gourmet-Abenteuer. Aber auch dafür braucht es etwas, was auf den nicht sonderlich charmanten Namen Planung hört. Es lohnt sich daher im weltweiten Netz nach unseren Lieblingsrestaurants zu forschen. Damit man dann bereit ist, wenn es die aktuelle Lage wieder erlaubt.
Abstand aus Ästhetik
Die gute Nachricht: Sie sind noch da, die zauberhaften Orte ebenso wie die Maîtres. Freuen sich auf Gäste, trotzen gewitzt allen Herausforderungen und Unwägbarkeiten und sind motivierter denn je, die Würde eines nicht zuletzt auch kulinarisch guten Lebens zu verteidigen. Wobei so mancher Sternekoch und Restaurantgründer – hinter vorgehaltener Hand, um nicht böswillig des Snobismus geziehen zu werden – auf etwas ganz Naheliegendes hinweist: In den Räumen einer elaborierten Molekularküche existieren ja seit jeher bereits „Hygienekonzepte“ avant la lettre, während ein gewisses nuanciertes Distanzhalten bei Lunch und Dinner keinesfalls Not, sondern eher ästhetische Tugend ist.
“Inzwischen ist jedem Genießer klar geworden, dass small nicht nur wirklich beautiful ist, sondern auch safe und köstlich ist.”
Welcher Gourmet nämlich möchte schon diejenigen vom Nebentisch in Armlänge um sich haben, als wär’s ein Bahnhofsbuffet? Hinzu kommt das Entscheidende: In Zeiten weltweit fragil gewordener „Lieferketten“ und urplötzlich rarer Exotikzutaten steigt der Wert avancierter Regionalküche geradezu ins Unermessliche. Was die eigenen Gärten, was nahe Landschaften, Küstenabschnitte und Bauernhöfe so alles zu bieten haben, mochte früher fallweise noch unter einer Art kulinarischem Erklärungsdruck gestanden haben – inzwischen jedoch ist jedem Genießer klar geworden, dass small nicht nur wirklich beautiful ist, sondern auch safe und köstlich.
Auf der langen Liste stehen
Dass solche aus Kennerschaft und Sorgsamkeit entstandene Qualität ihren Preis hat und auch haben sollte, war stets unumstritten. Hinzu kommt nun freilich der Faktor Zeit. Während Zeiten der Unsicherheit sind manche Spitzenrestaurants temporär geschlossen, die Gourmettempel des Kontinents sind aber gefragter denn je. Man muss deshalb kein mathematisches Genie sein, um angesichts gestiegener Gästeanfragen und verringerter Öffnungszeiten ein kleines Dilemma zu konstatieren – das bei genauerem Hinsehen freilich gar keines ist. Weshalb nämlich nicht einfach ein wenig länger im Voraus reservieren als gewöhnlich?
Gourmetrestaurants sind keine Billig-Airlines und stellen bis zum eigentlichen Buchungsdatum deshalb auch keinerlei Annullierungskosten in Rechnung. Und so wenig sich aus nachvollziehbaren Gründen die Maîtres öffentlich dazu äußern mögen, wie lang die Liste der eingegangenen Reservierungen bereits ist, umso unkomplizierter wird der Gast bei direkter Anfrage über mögliche “Zeitfenster“ informiert. Es lohnt sich also in Sicherheit und Muße den Genüssen des Gaumens zu frönen. Und wo gelänge das besser als im Baskenland, denkbar fern von jeglichem Massentrubel? Eine halbe Autostunde von San Sebastián lockt etwa im beschaulichen Städtchen Errenteria nach wie vor das mit zwei Michelin-Sternen gekrönte Restaurant „Mugaritz“ des sympathisch unprätentiösen Meisterkochs Andoni Luis Aduriz.
Ob Meerbarbe in einem schmalen Bett aus Butter und eigener Leber, mit Limonenblättern umrahmte Garnelen oder iberische Schweins-Ovale in einem einzigartigen Kräuterextrakt – das Auge isst hier tatsächlich stets mit. Doch nicht nur edler Rotwein ist immer in Reichweite, sondern auch die Erinnerung. War nicht einst im Februar 2010 die so liebevoll auf Saisonal-Regionales fokussierte Molekularküche von Senor Aduriz Opfer eines Brandes geworden, der das Restaurant bereits damals für Monate zu einem „Lockdown“ gezwungen hatte – und waren nicht auch schon zu jener Zeit ganz wunderbare Solidaritäts-Mails von „Mugaritz“-Gästen eingetroffen?
“Die Abwesenheit einer Speisekarte folgt keinem Hygienekonzept, sondern ganz einfach dem guten Geist selbstbewusster Kochkunst.”
„Solche Ermutigungen und dazu ganz Konkretes wie Reservierungen“, erinnert sich der stets optimistische Maître an jene Zeit, mit der die Gegenwart vor allem eines gemeinsam hat: Auch diesmal hat sich die baskische Gourmetküche nicht unterkriegen lassen, auch diesmal können es dankbare Gäste gar nicht erwarten, zurückzukehren an einen Ort des gediegenen Luxus. Wobei die Abwesenheit einer Speisekarte keinem „Hygienekonzept“ folgt, sondern ganz einfach dem guten Geist selbstbewusster Kochkunst. Geboten wird, was nicht allein die Saison, sondern jeder neue Tag an exquisiten Köstlichkeiten schenkt. Umso mehr sollte man hier bereits Monate im Voraus reservieren – auch in der nicht ganz unberechtigten Hoffnung, dass sich dann die Wartezeit möglicherweise auf ein paar Wochen reduziert.
Da isst man im Himmel
Mugaritz: Alusa Aldea 20, 20100 Errenteria/Spanien.
Menü: ab € 200,– (ohne Wein).
Reservierungen unter Tel.: +34/943/52 24 55 oder mugaritz.com
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