Zeig mir dein Museum, und ich sag dir, wer du bist! Im globalen Wettbewerb der Städte und Regionen spielen Museumsbauten eine zentrale Rolle. Kein Wunder, dass die besten Architekten der Welt immer neue, innovative und mitunter spektakuläre Lösungen suchen.
Kisten schleppen, weiche Pinsel heben, das richtige Licht ist auch ganz wichtig. Und natürlich Dinge wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Strategien gegen Motten. Wie jeder komplexe Organismus haben auch Kunstmuseen ihre Geheimnisse und kleineren Leiden, und das hat nicht zuletzt mit verborgenen Abläufen jenseits der Museumssäle zu tun. Was ist wichtig bei der Lagerung? Wie funktioniert das eigentlich: Leihgabewerke auf Weltreise schicken? Wie viel Raum benötigt die Restaurierung, und was ist beim Ausheben selten gezeigter Kunststücke zu beachten? Um solche Fragen kreist der neue kleine, feine Architektur-Hingucker in Rotterdam. Denn das Architekturbüro MVRDV rückt mit dem Depot Boijmans Van Beuningen – Außenposten des zeitgenössischer Kunst gewidmeten Museums Van Beuningen – eine ganz besondere Thematik in den Mittelpunkt. Die Idee hinter dem verspiegelten, oben begrünten Kunstdepot: Von den 151.000 Objekten des Stammhauses kann kaum ein Zehntel gezeigt werden – ein Umstand, der für viele Museen der Welt gilt. Genau dieses Dilemma thematisiert das neue Depot. Werke werden hier im „Behind the scenes“-Rahmen präsentiert, zugleich werden Formen der Aufbewahrung, des Aushebens und des Transports von Kunst visualisiert.
Der Verlockung erliegen
Die enge Verbindung von Weltarchitektur und der Gestaltung von Kunstmuseen ist vielfältig. Museen sind Landmarks der Sonderklasse, intellektuelle Visitenkarten von Mega-Citys und Kulturräumen, Katalysatoren künftiger Trends sind sie auch. Königsdisziplin dabei: jene Kunstmuseen, die der amerikanische Kunstkritiker Jerry Saltz einmal „wormholes to other worlds“ nannte. Doch weil gerade die besten Architekten der Welt zu deren Planung – und zum Löcherbohren – eingeladen werden, reichen die Resultate häufig über reine Prestigebauten hinaus. Die Art und Weise, wie das Rotterdamer Büro MVRDV unausgelotetes Terrain neu bespielt – und zugleich die dazugehörige Umgebung mittels verspiegelter Oberfläche miteinbezieht – ist da lediglich ein Ansatz neben anderen. Um kurz bei der Oberfläche zu bleiben: Die Handschrift einzelner Architekten, typisch für die Schauarchitektur der Postmoderne, ist eine Verlockung, der stolze Bauherren allzu gern erliegen. Gleich zweimal zeigte der (Wahl-)Kalifornier Frank O. Gehry in Frankreich auf: Nach der Eröffnung der von Glassegeln umhüllten Pariser Fondation Louis Vuitton, zu deren Entwurf Gehry eine medizinische MRT-Untersuchung inspiriert haben soll, legte der Architekt in Arles nach, wo auf einem ehemaligen Bahngelände das Kunst- und Kulturzentrum LUMA Arles zeitgenössische Kunst und Neue Medien in glitzernde Aluminiumhaut kleidet – ein architektonischer Felsen in der milden Lichtbrandung der Provence.
Verschmelzen mit der Stadt
Außen hui? Darauf beschränken sich architektonische Meilensteine in einer zunehmend komplexer gewordenen Realität freilich nicht. Wer die regionale Visitenkarte „Iconic Building“ zückt, ist beim vielschichtigen Projekt (Kunst-)Museum besonders gefordert. Der aus Genua stammende Renzo Piano – dessen Karriere mit dem Bau des Centre Georges-Pompidou so richtig in Fahrt kam – bezieht sich im Rahmen des neuen Istanbul Museum of Modern Art etwa auf eine extrem geschichtsträchtige Umgebung – und steht mit der Traumlage am westlichen Bosporusufer selbst in der Auslage. Monumentale Bauten aus der ottomanischen Ära, ein Park auf der einen und die Bosporus-Waterfront auf der anderen Seite – im Fall des an den Cruise Harbour Galataport angrenzenden Baus agiert Museumsarchitektur als historischer Brückenschlag. Das gilt wohl auch für Sydney Modern, den aktuellen Zubau zur neoklassizistischen Art Gallery of New South Wales: ein Ensemble leichter Glaspavillons, die die dazwischenliegende Plaza in einen „public art garden“ verwandeln. Weit radikaler gelingt das freilich bei ReefLine vor Miami Beach. Diesen Skulpturenpark besucht man am besten in Taucherflossen und mit Schnorchel. OMA Architects haben ihn kurzerhand als Unterwasserrevier entlang eines künstlich angelegten Riffs gestaltet.
Den Herrscher zitieren
Ganz anders Dubais vor Kurzem eröffnetes Museum of the Future, einer der spektakulärsten Bauten der Golf- Turbo-Town: Kurvige Fenster greifen hier die Tradition arabischer Kalligrafie auf, die komplexe Gebäudehülle ist mit gläsernen Zitaten aus der Feder des lokalen Machthabers versehen. In Summe ergibt das 14 LED-Kilometer Herrscher-Poesie auf der Außenhaut eines rundlichen Gebäudes, das Dubais Taxifahrer despektierlich Riesen-Doughnut nennen. Dabei will die Architektur mit diesem Museum vor allem technologische Avantgarde unter Beweis stellen – und verweist dann gern auf die Meisterleistung der Londoner Baukonsulenten BuroHappoldEnineering. Der parametrische Designprozess wurde nämlich erst auf Basis von speziell entwickelten Algorithmen möglich, bei der Umsetzung halfen Laserprojektionen. Fast retro, was innen ausgebrütet wird: Co-Working von Robotern und Menschen und Klimawandel sind Teil des musealen Angebots.
Vor allem aber suchen Architekten heute den „inneren Dialog“ von Werk, Welt, Wunderkammer. Das vom Sichtbetonzauberer Tadao Andō gestaltete HE Art Museum, ein markanter Rundbau mit Doppelhelix-Stiege, der sich der südchinesischen Hakka-Kultur widmet, dockt etwa an ein altchinesisches Weltbild an. Andōs Bau greift den fernöstlichen Urmythos vom Zusammenwirken der quadratischen Erde und einem runden, gestirnten Himmel auf.
Mit Museen reden
Kunst kommunizieren – dieser zentralen Aufgabe stellen sich auch zwei weitere chinesische Museumsbauten von Pritzker-Preisträger-Qualität. Jean Nouvels Pudong Museum of Art nutzt die offene, privilegierte Lage an Shanghais Huangpu River, um mittels großformatiger Bildschirme Kunstinstallationen und abendliche Videoperformances auszustrahlen. Kunst aus dem Haus herauslocken: Auf diese Strategie baut auch die wohl wichtigste aktuelle Kunstmuseumseröffnung Asiens. Hongkongs schlicht M+ genanntes Museum für Visuelle Kultur soll künftig in der gleichen Liga spielen wie das New Yorker MoMA oder die Tate Modern in London. Dazu entwickelten die Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron ein auf dem Kopf stehendes schwebendes T zweier lotrecht positionierter flacher Quader, die zur Wasserseite hin als übergroßer Bildschirm fungieren. Mithilfe von LEDs verwandelt sich das Gebäude so in eine Freilicht-Leinwand für Kunstwerke und trägt die Kunst im Inneren des Museums bis nach Hong Kong Island. Weit radikaler verwandelt aber Seouls Robot Science Museum technologischen Fortschritt ins eigentliche Museumskonzept. Denn die türkischen Melike Altinisik Architects (MAA) begreifen Museumsarchitektur als Prozess und weniger als gebaute Hülle. So lotet auch dieser Museumsbau Neuland aus: Roboter sollen vor Ort die gebo-genen Metallfassaden zusammensetzen, ein weiterer Robotertrupp kümmert sich um Betonteile in ‑3-D-Druckverfahren. Die Errichtung des Gebäudes durch ‑Roboter und Drohnen verwandelt sich so in die erste Ausstellung. Sie lautet: Ein Museum baut sich selbst!
![Exhibition News Yoko Ono](https://data.pc-web.cloud/mediaunit/images/_1280x720_crop_center-center_line/Exhibition-News_Yoko-Ono.jpg?v=1731432490 1280w)
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