Er ist der Experte, wenn es um „Pre-owned“-Uhren geht! Als Head of Brand Heritage Longines füllt Daniel Hug den Collector’s Corner mit edlen Raritäten und entdeckt dabei Meisterstücke und das ein oder andere Geheimnis.
Im Talk verrät er, wie viel Präzision ein Sammlerstück braucht, warum Nachhaltigkeit im Trend liegt und wieso Albert Einstein seine Longines einer Spionin schenkte.
„Pre-loved“ ist ein großes Thema und ein internationaler Markt. Was macht für Sie die Faszination von Vintage-Uhren aus?
Wie so oft braucht es für einen Trend einen Gegentrend. Für viele Menschen sind elektronische Gadgets unentbehrlich. Allerdings sind die immer kurzlebig, dem technischen Fortschritt unterworfen. Dabei haben die Menschen das Bedürfnis nach Beständigkeit. Longines-Uhren werden oft zu besonderen Anlässen gekauft – Hochzeiten, Studienabschlüsse etc. Unsere mechanischen Uhren haben eine Lebensdauer von 100 Jahren. Sie können heute noch jederzeit von unseren Spezialisten im Haus repariert werden, gegebenenfalls werden Komponenten getauscht.
Das ist wahre Nachhaltigkeit, ein Begriff der heute sehr inflationär gebraucht wird. Wir bei Longines leben diesen Gedanken mit unseren Uhren seit jeher. Die Zulu Time wurde 1925 etwa zum ersten Mal gefertigt und funktioniert immer noch.
Sie haben dazu bei Longines ein eigenes Certified-Pre-owned-(CPO)-Programm ins Leben gerufen?
Um das reiche Heritage von Longines auch erlebbar zu machen, scannen wir permanent den Markt – bei Auktionen, Sammlern. Wenn ein Stück von Longines interessant erscheint, erwerben wir es, zerlegen es in unserem Atelier Heritage in alle Einzelteile, reinigen es, reparieren es gegebenenfalls und bauen es wieder zusammen. Dann kommen die zertifizierten Uhren mit einer zweijährigen Garantie und Beschreibung auf unsere Website – und auch in unseren Collector’s Corner. Aktuell gibt es den in unserer Boutique in Genf, da es in der Schweiz eine besondere Liebe zu Vintage-Modellen gibt.
Wäre das auch ein Konzept für die Boutique in Wien?
Wenn wir noch mehr Uhren zur Verwendung haben, die Kapazitäten steigen, gibt es eventuell auch bald einen Collector’s Corner in der Boutique in Wien. Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Nachhaltigkeit ist gefragt. Und auch der Wunsch, Sammlerstücke von morgen zu erwerben.
Wann ist ein Modell für Sie interessant? Wann wird eine Uhr zum Sammlerstück?
Dafür gibt es zwei Kriterien: Die Uhr muss eine Geschichte haben, einen interessanten Besitzer, eine spannende Historie dahinter, oder einen besonderen Zweck. Oder sie hat einen technischen Meilenstein gesetzt.
Ihr persönliches Highlight?
Das ist auf jeden Fall die Uhr von Amy Johnson. Sie ist die berühmteste Fliegerin Großbritanniens, flog 1930 als erste Frau im Alleinflug von England nach Australien. Bei ihrer Uhr handelte es sich nicht um eine normale Uhr, sondern um ein Modell, das auf Sternenzeit getaktet ist. Während wir aufgrund der Einfachheit mit einem Maß von 24 Stunden pro Tag rechnen, arbeiten Astronomen bei der Sternenbeobachtung mit der Sternenzeit – der tatsächlichen Zeit, die die Welt einmal zur vollen Umrundung braucht. Das sind 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden. Piloten konnten sich nur an Sonne und Sternen orientieren. Daher haben sie für die Astronavigation einen Sextanten für den Breitengrad und eine präzise Uhr für den Längengrad verwendet. Longines hat ihnen mit seinen Uhren nach Sternenzeit geholfen, sich schneller in der Luft zu orientieren, da das Umrechnen auf die 24-Stunden-Zeit wegfiel.
Navigieren war damals wirklich eine höchst komplizierte Sache. Es gibt Aufnahmen, da ist Amy Johnson mit dem Navigations-Experten der damaligen Zeit, P.V:H. Weems, zu sehen – natürlich mit ihrer Longines. Wirklich beeindruckend, wie mutig diese Frauen damals den Männern um nichts nachstanden und auch optisch einen neuen Stil prägten. Während eigentlich weite Kleider en vogue waren, trugen sie Reithosen und Stiefel – die einzigen Hosen, die für Damen damals erlaubt waren. Sie waren Pioniere, wie auch Longines.
Longines hat im technischen Bereich viele Meilensteine gesetzt. Welcher beeindruckt Sie am meisten?
Longines hat wahrlich viele Erfindungen gemacht. Die Fly Back Funktion beim Chronographen ist für mich bestimmt eine der größten Errungenschaften. Sie wird von vielen Piloten genutzt und ermöglicht die präzise Berechnung von Entfernungen während des Fluges. Sie wurde 1935 patentiert, aber bereits 1928/1929 gab es die ersten Fly Back Chronographen. Das ist typisch für Longines, sehr oft wurden die Funktionen erst getestet, Erfahrungen gesammelt und später patentiert.
Bei dieser reichen Historie — Welche Rolle spielt dabei das Longines Archiv, das lückenlos bis 1867 zurückführt?
Eine große! Es ist ein wahrer Schatz, bei der jede Longines Uhr die seit 1867 ausgeliefert wurde, dokumentiert wurde. Wir haben jährlich rund 12.000 Anfragen, die alle von meinem Team bearbeitet werden. Die Seriennummer reicht, und schon erhalten Sie Info über das Produktionsdatum, das Uhrwerk, das Gehäuse, manchmal zum Ziffernblatt, den Händler, das Land, in den die Uhr geliefert wurde. Longines hatte schon früh eine weltweite Präsenz, da sind oft exotische Destinationen wie Argentinien oder Libanon dabei. Nach Einsicht ins Archiv erhält man neben den Infos ein Echtheitszertifzikat. Das Archiv ist immer noch faktisch mit dicken Büchern in Saint-Imier vorhanden, als auch digital.
Prominente Namen wie Albert Einstein oder Walt Disney haben bereits Longines Uhren besessen. Wissen Sie mehr darüber?
Zu Albert Einstein und Longines gibt es wahrlich eine spannende Geschichte zu erzählen. Er besaß eine Longines Taschenuhr, die heute im Naturhistorischen Museum in Bern zu finden ist. Und eine Longines Armbanduhr, die er – mit Gravur – 1931 vom Rabbi bei seiner Ankunft in L.A. als Geschenk bekam. Diese Goldene Uhr hat er getragen, was auf Fotos ersichtlich ist, und dann seiner letzten Geliebten geschenkt, als diese zurück nach Russland ging. Durch Briefwechsel ist das belegt. Das wirklich spannende daran kam erst vor ein paar Jahren ans Licht: Diese Geliebte war russische Spionin und vor allem an Infos von Albert Einstein über Robert Oppenheimer interessiert. Auch hier gibt es Aufnahmen, die alle gemeinsam zeigen. Angesichts des neuen Oppenheimer Films hat diese Verbindung besonders aktuell Präsenz.
Welche Vintage-Uhren liegen aktuell im Trend?
Uhren, die einen Tool-Charakter haben: Pilotenuhren, Taucheruhren, Chronographen. Und Schmuckuhren für Damen. Longines hat heute ein ausgewogenes Verhältnis von 50 Prozent zu 50 Prozent bei der Aufteilung Männer- / Damenuhren. Früh wurden auch schon elegante Uhren, oft in Gold, Platin, mit Steinen produziert. Das ist ein Trend, den es weiter zu entdecken gilt. Hier vor allem rechteckige Uhren aus den 1930ern, die auch ein rechteckiges Uhrwerk besitzen. Das findet man selten. Auch die historischen Conquest-Modelle aus den 50er Jahren sind sehr gefragt. Früher hatten typische Männeruhren 35mm Gehäuse, heute werden sie in dieser Größe gerne als Damenuhren getragen. Unisex liegt definitiv auch im Trend, die Grenzen verwischen immer mehr.
Sammlerstücke von morgen sind gefragt. Wie schafft man es, den Vintage-Gedanken in aktuelle Kollektionen zu transferieren?
Vintage ist aktuell omnipräsent. Wobei bei Longines Nachhaltigkeit seit langer Zeit bereits zum Programm gehört. Unsere Uhren haben eine Lebensdauer von über 100 Jahren. Und unsere Geschichte ist erlebbar. Das schaffen wir mit neuen Modellen, welche die rote Linie von der Geschichte zur Gegenwart bilden. Es geht nicht darum, eine Kopie der alten Modelle zu erstellen. Sondern darum, die ursprüngliche Uhr in einem neuen Kleid zu präsentieren. Wir geben mit unserem Team dafür gerne die Inspiration und arbeiten eng mit dem Team der Produktentwicklung zusammen. Ergebnis ist aktuell beispielsweise die neue Conquest-Kollektion, oder die neue Ultra-Chron. Diese Taucheruhr aus dem Jahr 1968 wurde neu aufgelegt, mit typischen historischen Merkmalen wie etwa roter Zeiger und Ultrahochfrequenzwerk. Die perfekte Kombination von Stil und Präzision.
Vielen Dank für das Gespräch!
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