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7 Jahrzehnte Innovation, Familienerbe und die Kunst der endlosen Neuerfindung – kaum eine andere Brand prägt(e) Plastik so innovativ und wegweisend wie Kartell.

Einst abgetan und heute wiederentdeckt, lotet das Mailänder Traditionsunternehmen die Möglichkeiten der Verarbeitung immer wieder aufs Neue aus – und ist damit zu einer Kultmarke avanciert, die von familiärer Leidenschaft, technologischem Wagemut und spielerischer Leichtigkeit geprägt ist.

1949 gründete der Chemieingenieur Giulio Castelli das Unternehmen Kartell in Mailand – das erste Produkt auf dem Markt: eine Skihalterung fürs Auto. Es dauerte nicht lange und die junge Marke revolutionierte das Nachkriegsdesign, indem es Kunststoff in hochwertige Möbel verwandelte. Damals ein absolutes Novum. Castellis Frau, die Architektin Anna Castelli Ferrieri, wurde zur Designpionierin und schuf modulare Aufbewahrungssysteme, die bis heute zeitlos sind. Die Übernahme durch Claudio Luti – Castellis Schwiegersohn – im Jahr 1988 markierte einen Wendepunkt: Die Zusammenarbeit mit Philippe Starck, Patricia Urquiola und Ron Arad katapultierte Kartell in die Stratosphäre des Luxus und verband Versace-artiges Flair mit industrieller Strenge.

Der Weg zur Design-Dynastie

Der Hauptsitz der Lutis in Noviglio, entworfen von Anna Castelli Ferrieri und Ignazio Gardella, ist ein modernistisches Wunderwerk – ein 2.500 m² großer Komplex, der Büros, Produktion und das Kartell-Museum beherbergt. Claudios Kinder Lorenza und Federico verkörpern die Zukunft der Marke. Lorenzas Einzelhandelsstrategie, die sie sich bei Zegna angeeignet hat, treibt die globale Expansion voran, während Federicos kaufmännischer Scharfsinn die über 120 Märkte steuert. Das Mantra des sympathischen und bodenständigen Geschwisterpaars: Unternehmen sind ein soziales Gut – die Vererbung erfordert Fähigkeiten.“

Mein eigenes Zuhause ist ein lebendes Archiv – der grüne Tisch aus unserer 2000er-Transparenzphase steht noch immer im Wohnzimmer. Schwer zu transportieren, aber unersetzlich.“ Federico Luti

Ikonen für die Ewigkeit

Wenn es um mutiges Design und die stetige Weiterentwicklung von Materialien geht, verlässt sich Kartell auf alles, was Rang und Namen hat. Der Katalog liest sich dementsprechend wie ein Who’s Who des Designs: 2002 entwarf Philippe Starck mit dem Louis Ghost Chair eine Art barocken Thron aus transparentem Polycarbonat, der den Luxus demokratisieren sollte. 2004 folgte mit Ferruccio Lavianis Bourgie Lampe eine weitere Symbiose aus Barock und Plastik. Das Bücherwurmregal von Ron Arad aus dem Jahr 1994 ist eine schlangenförmige Revolution der Aufbewahrung, inspiriert von einer Skulptur. Heute interpretiert das Unternehmen seine Masterpieces im Rahmen der Recycled Line mit der Verwendung eines Biopolymers neu und zeitgemäß: Componibile Bio“ wird mit Rohstoffen aus erneuerbaren Quellen aus der Landwirtschaft hergestellt, die keine GVO enthalten und nicht für die Nahrungskette bestimmt sind. Dieses Engagement für Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist auch im Industriemanifest Kartell Loves the Planet“ dokumentiert.

Textil trifft Kunststoff: Eine neue Materialsprache

Kartells Liberty London-Kollaboration definierte 2024 Plastizität neu. Das Studio Laviani hat das Plastics Sofa und den Cara Sessel mit Libertys archivierten Blumenmustern neu interpretiert und für den Außenbereich konzipiert. Das ist Alchemie“, sagt Lorenza. Ihre Muster, unsere Technologie – ein Dialog zwischen der Kreativität Londons und der Innovation Mailands.”

Collaboration now: Von Starck bis Kravitz

Philippe Starck ist zwar mit über 30 Kooperationen nach wie vor der Nordstern von Kartell, doch die jüngsten Partnerschaften schaffen ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Zeitgeist: neben Liberty London, das viktorianische Drucke mit Formen aus dem Weltraum verbindet, sorgt auch das ausgefallene Lenny Kravitz Design für Beleuchtungsobjekte in limitierter Auflage (2023) für einen echten Hingucker. Der Spagat zur Fashionwelt gelang Kartell mit einem Mode-Crossover, in dessen Rahmen Moschino, Lacroix und N°21 Haute Couture in die Haushaltswarenwelt brachten. 

Alice’s Flowers

Das Museum von Kartell dient ob all der prestigeträchtigen Kooperationen und Kollektionen nicht nur als Archiv, sondern fungiert auch als lebendige Galerie: im Rahmen der Ausstellung Alice’s Flowers im Jahr 2023 interpretierten Künstler Anna Castellis Flos-Lampe aus dem Jahr 1967 mit 3D-gedruckten Blütenblättern und Augmented Reality neu. Kunst hält Plastik poetisch“, sagt Lorenza, die wechselnde Installationen kuratiert, die Design mit zeitgenössischer Kultur verbinden. Die aktuelle Save The Glacier Sonderedition von Modedesigner Tiziano Guardini und Luigi Ciuffreda, einem Architekten und Innenarchitekten, besteht aus einem Kissen, inspiriert von der Magie der sprechenden Blumen aus Märchen. Die Capsule Collection ist dem Erhalt der Gletscher gewidmet und wird aus regenerierter Zellulose gefertigt.

kartell​.com

Im Gespräch mit Federico Luti

Kartell ist mit Blick auf die Vergangenheit mit stetiger Materialinnovation verbunden – bis heute?

Materialien folgen unserer Innovationskraft – sie sind nie Ausgangspunkt, sondern Konsequenz des Designs. Entscheidend ist, dass Produkte schön sind und Jahrzehnte überdauern. Philippe Starck hat transparentes Polycarbonat, das ursprünglich für Polizeischilder verwendet wurde, in Designikonen wie den Ghost Chair transformiert. Aktuell bschäftigen uns recycelte Biopolymere aus Pflanzenabfällen, ein Polycarbonat 2.0 mit 60% reduzierter CO₂-Bilanz durch Cellulose-Beimischung und die Smart Wood-Verarbeitung auf Basis von industriellen Biegeformen. Echte Revolution entsteht meiner Meinung nach durch das Gesamtprojekt – das Material muss der Kreativität dienen, nicht umgekehrt.

Ist das Thema Nachhaltigkeit also als Kartell-DNA zu verstehen?

Nachhaltigkeit darf nicht zum Selbstzweck werden – sie muss ästhetisch und funktional sein. Wir betreiben hier seit den 1990ern Pionierarbeit, wobei erste Recycling-Versuche am Geruch und der Optik am Markt gnadenlos gescheitert sind. Unser heutiger Ansatz basiert auf einer Kreislaufwirtschaft für Bestseller, seit 2019 auch auf AI-gestützter Materialoptimierung, wir verwenden FSC-zertifiziertes Holz und verfolgen eine plastikfreie Firmenpolitik. Unser Ziel besteht darin, dass Kunden Kartell-Stores im Wissen betreten, hier das aktuell nachhaltigstmögliche Design zu finden.

Dazu setzen Sie auch auf verschiedenste Kooperationen …

Wir verbinden High-End-Design mit Demokratisierung – ein ikonischer Stuhl soll für junge Menschen erschwinglich sein. Unsere Erfolgsformel basiert auf Kollaborationen wie mit Zara oder Lenny Kravitz und auf einem künstlerischen Ansatz. Wir setzen auf fashion-ähnliches Store-Design statt auf den klassischen Möbelhandel, wobei sich Luxus in meinen Augen über Qualität und Innovation, nicht Exklusivität definiert. Ein Objekt wie der Bourgie-Leuchter kann ein ganzes Zimmer transformieren – selbst wenn es das einzige Designobjekt ist.

Inwiefern prägt in diesem Zusammenhang auch Mailand Ihr Designverständnis?

Die Stadt ist ein Kreativ-Booster – hier erreichen wir in einem Jahr, was anderswo fünf dauern würde. Schlüsselfaktoren wie die Dichte an Produktionsstätten für schnelle Prototypen, der Salone del Mobile als jährlicher Innovationsmotor und das enge Netzwerk mit Designern wie Patricia Urquiola helfen natürlich. Unser Museums-Showroom zeigt daher nicht nur aktuelle Kollektionen, sondern soll auch die die Designvision der nächsten Jahre beleuchten. 

Kartell Famiglia Luti GIOVANNI GASTEL Frederico Luti Tommaso Gesuato
Tommaso Gesuato, Giovanni Gastel ©
Links: Frederico Luti, rechts: Familie Luti

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