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Spätestens seit dem Launch der Galeriemesse Frieze Seoul ist es unübersehbar: Die südkoreanische Hauptstadt zählt zu den Hotspots der internationalen Kunstszene.

Eigentlich steht DDP für Dongdaemun Design Plaza – und für ein Schlüsselwerk der legendären Zaha Hadid. Die riesige Doppel­blase liegt im Herzen von Seoul. Vom begehbaren Parkdach genießt man einen tollen Ausblick, und zum Zeitpunkt der Eröffnung handelte es sich um die größte asymmetrische Struktur der Welt. Doch man soll sich von der ­fluiden Harmonie des spektakulären Baus nicht täuschen lassen – denn die Plaza schläft nie. DDP ist ein Unruhestifter im besten Sinne, ein urbaner Taktgeber im Rhythmus 24/7. Vielleicht steht das Kürzel in Seoul auch deshalb noch für Dream, Design und Play. Als Modeschule und ­Messefläche, als Ort für Designkonferenzen, ­Fa­shion­­­ Shows und Kunstausstellungen sorgte Hadids Bau von Beginn an für vielfältige Stimuli. Eine Zäsur markiert der ikonische Bau allemal: Das hat viel mit Ex-Bürgermeister Oh Se-Hoon zu tun, der Design schon früh zur Chefsache erklärt hat. Dass Seoul bereits 2010 und nach Turin als zweite Stadt weltweit World Design Capital“ wurde und mit der Revitalisierung eines bereits 1961 zubetonierten Flusses nachlegte, ließ früh ahnen: Hier werden wichtige Zeichen der Zeit erkannt. Die von langer Hand geplante Positionierung als Krea­tivmetropole ist Teil eines Master­plans, der nicht zuletzt von Privaten mitgetragen wurde – etwa dem Industriellen Doo Byung Park, der mit dem Doosan Art Center Seouls erste nichtkommerzielle Galerie gründete. 

Seouls Ex-Bürgermeister Oh Se-Hoon hat Design schon früh zur Chefsache erklärt.

Dass es dabei nicht blieb, hat sich spätestens im vergangenen Jahr herumgesprochen. Da feierte die Frieze Art Fair ihre Seoul-Premiere mit Schwerpunkt auf Medienkunst und NFT – und als weitere Bestätigung einer konti­nuierlichen Aufbauarbeit. ­Namhafte Galeristen wie Lehmann Maupin, Perrotin oder nun Thaddaeus Ropac haben hier in den vergangenen fünf Jahren Dependancen eröffnet und schwärmen von einer perfekten Infrastruktur, angefangen bei Kunsthochschulen bis zu Kunstkritikern, Kuratoren und – last not least – Sammlern. All das macht Seoul zum jüngsten Hotspot der internationalen Galerieszene, der ostasiatische Konkurrenten wie Beijing und Shanghai abhängt. Dass sich die südkoreanische Metropole zum kreativen Hub entwickelt hat, ist eine Geschichte, zu schön um wahr zu sein. Denn sie hat keineswegs nur mit Geld und einem ambitionierten Bürgermeister zu tun oder mit einzelnen Mäzenen. Vielmehr ist sie langsam gewachsen, von innen heraus. 

Die Frieze Art Fair feierte fulminant ihre Seoul-Premiere.

Die Seele von Samcheong-dong

Wer das verstehen möchte, spaziert im Idealfall durch das von steil verlaufenden Gassen geprägte Viertel Samcheong-dong, eines jener traditionellen Hanok-Viertel, die sich im Bauch der 25 Millionen Menschen beherbergenden Metropolregion behaupten konnten – und eine wesentliche Rolle für den Hype um Südkoreas junge Kunstszene spielen. Für viele findet sich hier die Seele von Seoul. Teestuben und kleine Museen sind in dem Labyrinth aus jahrhundertealten Häusern zu finden. Sorgfältig aufgestapelte Holzbalken und Dachziegel liegen für den behutsamen Umbau der alten Yangban-Häuser zu stylishen Residenzen bereit. Es ist nicht der einzige Hinweis auf den neuen Geist, der seit Jahren durchs alte Hanok weht. Immer neue Ateliers und Designstudios eröffnen in Samcheong-dong. Anbieter von Art Walks laden zur Spurensuche ein. Und Locations wie die Kukje Gallery oder das National Museum of Modern and Contemporary Art erfreuen sich dabei einer besonderen Reputation: Sie dürfen sich zu den Pionieren in Sachen Avantgardekunst zählen, die stärker als alles andere die Metamorphose des Viertels prägt. 

Seoul glänzt an allen Enden und Ecken kunstvoll.

Neugierig macht der Blick durch Galeriefenster ­allemal: Vincent van Gogh, ganz in Blutrot und mit leicht schwammigem Ohr, ist ­soeben zu sehen. Und Donalds Neffen Tick, Trick und Track, leider bis aufs Entenskelett abgemagert. Seit 1982 war in der Kukje Gallery, die zuletzt neben dem königlichen Gyeongbokgung-Palast im ähnlich verwinkelten Stadtteil Sogyeok-donk die mittlerweile dritte Filiale eröffnete, Kunst von Größen wie Damien Hirst, Cy ­Twombly, Joseph Beuy und Anselm Kiefer zu ­sehen. Eines wird der Spaziergang durch Seouls charmante Kreativviertel nie: langweilig.

Die Galeristen ­Lehmann Maupin haben auch in Seoul ihre Zelte aufgeschlagen.

Der Charme stiller Flussufer

Galten Ecken wie Samcheong-dong während der Zehnerjahre noch als Insideradresse für eine junge Kunst­szene, so hat sich diese Perspektive radikal geweitet. Der aktuelle Hype um die Galerienhochburg Seoul ist da bloß ein Aspekt neben weiteren. Seit Jahren geben sich ja auch die weltbesten Architekten die Klinke in die Hand – und verwandeln Südkoreas Hauptstadt in einen jener Orte, an denen über zukünftige Urbanität experimentiert wird. Dann verwandeln sich Betonpisten in stille Flussufer und Hochtrassen in Stadtparks. Beispiel Seoullo 7017 Skygarden. Seoullo heißt auf Koreanisch nach Seoul“ und sieht von einiger Entfernung wie eine Krake aus, die ihre Tentakel vom Hauptbahnhof in alle Richtungen streckt. 

Die Bezeichnung Fußgängerbrücke wäre für das nach dem Vorbild der New Yorker Skyline üppig begrünte Projekt der Rotterdamer MVRDV Architekten zu kurz gegriffen. Oder Richard Rogers: Mit dem neuen Wolkenkratzer Parc 1 wagt der Veteran der Hightech-Architektur einmal öfter den Tabubruch: ­Knallrot lackierte Stahlrohre – von außen und innen gleich gut sichtbar – legen die tragende Skyscraper-Statik wie ein Skelett bloß. Spaziert man lieber durch den Hyundai Department Store – mit einer Fläche von 13 aneinandergereihten Fußballfeldern Seouls größte Mall –, erschaffen feine Strahlen eines zwölf Meter hohen Wasserfalls und weich gerundete weiße Säulen eine zauberhafte Zen-Atmosphäre. Kim im Wunderland – das schafft ­Seoul mit links. Am Han River erstrahlt demnächst eine künstliche Halb- und Gar­teninsel in Form eines achtfachen Sterns mit abgerundeten Spitzen. Die Schweizer Herzog & DeMeuron, Architekten etwa der Londoner Tate Modern, treiben lieber einen Betonkeil in die Stadt – mit breiter Basis, scharfer Dachkante und innovativer Betonfassade –, der vor allem lokalen Künstlern eine Plattform bietet. Zum viel bekannteren Gangnam District ist es nicht weit. Doch vor allem pocht hier Seouls Lifestyle- und Shopping-Herz und verwandelt die Stadt in eine hohe Schule des Sehens. Davon zeugen nicht zuletzt immer neue Fingerübungen einiger der weltbesten Interior ­De­si­g­ner, die hier ein futuristisches Gesamtkunstwerk aus Fassadenflächen, Lichtinstallationen und Schaufensterdesigns geschaffen haben.

In der Nacht taucht so ein zweites Seoul auf. Dann erwecken Lichtreflexe Designfassaden wie die vielfach gewölbte Stahlhaut des Givenchy Flagship Store zum Leben, und über dem Kulturkomplex Kring tanzen Kreisel aus Licht. Perforierte Häuserfronten atmen aus allen Poren, und im benachbarten ­Apgujeong-dong strahlt das exklusive Nobelkaufhaus Galleria mit tausend LCD-Schuppen. Der Kreativ-Hub Seoul gleicht dann einem Raumschiff, das aus einer weit entfernten Galaxie am Han River zwischengelandet ist.

Galerien und Museen

MMCA Soul
Die dritte Filiale des National ‑Museum of Modern and Contemporary Art ‑breitet sich in drei Gebäuden über 27.000 Quadratmeter aus – mehr 
als ein Drittel der Fläche sind reiner Ausstellungsraum. 
mmca​.go​.kr

Sarubia Project Space
Projektraum für experimentelle Kunst im zentralen Stadtteil Jongno-gu. sarubia​.org

Frieze Seoul 2023
Die wichtigste Kunstmesse zeigt im Rahmen der zweiten Seoul-Auflage Arbeiten in über 110 Galerien. 
6. – 9. 9. 2023
frieze​.com

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21. September 2023 Iwan Baan Atlanta

Wonderful World

Top-Fotograf Iwan Baan dokumentiert seit 20 Jahren das Entstehen neuer Gebäude, Städte, Lebensräume. Im exklusiven Talk verrät er, wie aus Neugier einzigartige Fotos und Zusammenarbeiten mit Rem Koolhaas oder Zaha Hadid entstanden. Und warum Architektur ohne Menschen nicht funktioniert.


Sie reisen viel durch die Welt, haben ein Büro in Amsterdam, NY und HongKong. Wo erreichen wir Sie gerade?
Gebäude kommen nicht zu mir, daher bin ich sehr viel unterwegs. Im Moment ist unser Haus in Upstadte-NY meine Basis, von dort aus arbeite daher gerade von NY aus am meinem aktuellen Projekt der großen Ausstellung im Vitra Design Museum. Geplant ist ein Katalog mit 600 Seiten, fast so schwer wie ein Ziegelstein. Gezeigt werden fast die letzten 20 Jahre meiner Arbeit, das ist eine ganze Menge…

Und Sie treffen die Auswahl für die Ausstellung selbst?
Gemeinsam mit der wunderbaren Mea Hoffmann, welche die Ausstellung kuratiert. Und natürlich hilft mein Team mit, welches mich schon lange begleitet. Aber im Endeffekt bin ich der einzige, der zu den Projekten alle Hintergrundinfos und vor allem meinen persönlichen Bezug kennt. Somit kommen fast alle Fragen und Entscheidungen zu mir. 

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03. Februar 2023 Header

Künstliche Intelligenz

Kakerlaken, Kühlschrank und Co.: Diese 5 KI-Trends bestimmen bereits jetzt unsere Zukunft.

#1 Roboter mit Gefühlen

Pepper zeigt Verständnis und winkt herzig zurück. Emo soll sogar über mehr als tausend Gefühle verfügen. Aibo lässt Wut ebenso wie Überraschung sichtbar werden: Es gibt bereits Roboter, die auf Emotionen ihres Gegenübers reagieren und selbst Gefühle haben – so behaupten es zumindest deren Hersteller. Jedenfalls sind sie nicht mehr nur Befehlsempfänger, die auf Bits und Bytes reagieren, sondern sie zeigen Emotionen. Ob diese auch empfunden werden, ist eine andere Frage. Ob nun Pepper menschliches Verhalten nachahmt, möglicherweise Emotionen anderer über Gesichtserkennung, stimmliche Hinweise und Körperbewegungen wahrnimmt oder ob Emo mit Sensoren seine Umwelt rezipiert und Personen, die ihm schon einmal begegnet sind, wiedererkennt. Moxie zeigt Kindern glaubwürdige Gesichtsausdrücke, Kismet und Zeno sind darauf programmiert, sich zu freuen, wenn jemand Bekannter den Raum betritt. Komplexe Sensorsysteme helfen Robotern von heute, auf Berührungen oder Gesten zu reagieren. Und auch wenn wir noch weit davon entfernt sind, dass sie wirklich ein nuanciertes Verständnis menschlicher Emotionen haben, kann man sich vorstellen, was in Zukunft möglich sein könnte.

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22. Dezember 2020 New Oona Horx Strathern c Klaus Vyhnalek

Blick in die Zukunft

Der Fortschritt klopft an, und wir machen nicht auf? Oona Horx-Strathern, CEO des Zukunftsinstituts Horx, analysiert, wie Corona das Leben verändert und warum Gemeinsinn manchmal smarter ist als Künstliche Intelligenz.

Corona hat dafür gesorgt, dass das Zuhause wieder einen wichtigeren Stellenwert in unserem Leben hat. Hält sich diese Aufwertung der eigenen vier Wände auch in Zukunft?
Unser Zuhause ist manchmal wie eine Tante, die man eigentlich immer schon anrufen wollte, aber man lässt es doch sein, weil man weiß, dass sie kompliziert ist und jammern wird. Wenn man abends von der Arbeit nach Hause kam und die Wände, den Teppich, die Möbel registrierte, dachte man: Eigentlich müsste ich mal etwas verändern. Aber man ließ es, weil es zu anstrengend erschien. Das änderte die Krise radikal. Nachdem die Menschen fast nur noch zu Hause waren, begannen sie sich auf eine neue Weise mit ihrer häuslichen Umgebung auseinanderzusetzen – und zu identifizieren. Es hat sich etwas verändert in der Beziehung zu unseren Wohnungen und Häusern. Wir nehmen unsere häusliche Umgebung anders wahr. Wir wohnen bewusster – und das wird noch eine Weile halten, vielleicht sogar für immer. 

Die Technik ist ein ganz entscheidender Faktor in dieser Hinsicht. Sie ermöglicht es uns, auch für längere Zeit das Haus nicht verlassen zu müssen. Wohin wird dieser Trend noch führen?
Wir werden in Zukunft vielleicht mehr zu Hause arbeiten und dafür die Technik aufrüsten, beispielsweise eine Zoom-Ecke aufbauen. Aber abgesehen davon haben wir gemerkt, dass es weniger das Smart Home“ war, das uns gefehlt hat, sondern eher der soziale Kontakt. Technik ist nur ein Tool. Wichtiger ist die soziale Technik, und die Krise hat uns gezwungen, unsere soziale Umgebung neu zu definieren, zu überdenken und zu bewerten. Balkone und Shared Spaces“, in denen wir bestimmte Dienstleistungen auch im Lockdown in Anspruch nehmen konnten, waren wichtiger als eine App, die uns abends automatisch die Vorhänge zumacht.

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