Mode und Film sind Geschwister. und es wäre sinnlos darüber nachzudenken, wer in diesem Verhältnis die Oberhand hat. Ein modisch-cineastischer Streifzug.
Zuletzt nahm das Verhältnis zwischen Mode und Film noch einmal eine unerwartete Wendung: Zu Beginn seiner Modeschau für Frühling/Sommer 2022 zeigte Bürgerschreck Demna Gvasalia eine Folge der „Simpsons“. Der Simpsons?
Ja, da Homer den Geburtstag seiner Marge vergisst, schenkt er ihr ein giftgrünes Kleid mit XXL-Schultern von Balenciaga, mit dem sie im Türrahmen stecken bleibt. Kostenpunkt: 19.000 Dollar, weshalb das Designerkleid auch gleich wieder zurückgeschickt wird. Marge vergießt ein paar Tränen, in Paris hat man mit der Bewohnerin von Springfield aber Mitleid: Zusammen mit dem Rest der Stadt lädt man sie zur Modeschau nach Paris, wo sie prompt allesamt auf dem Laufsteg landen. Einer der Höhepunkte: Homers Catwalk in superengen Hosen und einer knallroten Pufferjacke mit einem übergroßen Kragen.
Modeexperten wussten sofort, aus welcher Kollektion Homers Outfit stammte, nämlich aus der Frühlingskollektion von Balenciaga vom Sommer 2020. Deren Designer Demna Gvasalia spielt seit vielen Saisonen wie kein anderer mit den Tabus und Codes der Mode, wobei man nicht immer weiß, ob es sich um eine geniale Interpretation oder schlicht um Veräppelung handelt.
Der Simpsons-Film, den der Gründer der Kultserie, Matt Groening, selbst für Balenciaga drehte, gehört zweifelsfrei in erstere Kategorie. Kein Influencer, kein Medium, kein Einkäufer, der oder die sich dem Charme und Witz der zehnminütigen Folge entziehen konnte. Nur ein Beispiel, wie Mode- und Filmindustrie gemeinsame Sache machen und sich oft bis zum Release-Termin punktgenau abstimmen. Denn so wie die Mode beständig darauf schaut, was sich in Film und Fernsehen tut, so genau hat auch das Filmbusiness die Laufstege im Visier. Mode und Film, das sind Geschwister, und es wäre ziemlich sinnlos, darüber nachzudenken, wer in diesem Verhältnis die Oberhand hat.
Seit bei den Gebrüdern Lumière in ihrem 1899 gedrehten Kurzfilm „Serpentine“ eine Avantgarde-Tänzerin im glockenförmigen Kleid auf der Bühne tanzte, während ihr Kleid fortwährend die Farbe wechselte, gehört Mode zur Kinogeschichte. Und zur Geschichte der Mode gehört der Film. Mode und Film erschaffen Illusionen und schmuggeln sich in unsere Träume, sie beziehen ihre Kraft aus Form und Sexualität. Ob Liz Taylors Unterwäsche, Audrey Hepburns kleines Schwarzes oder John Travoltas weißer Anzug: Die Bildermaschinerie des Films kommt gerade dann in Fahrt, wenn sie von der Mode gespeist wird.
Distinguiert und lebensuntüchtig
Kein Film hat das zuletzt so gut gezeigt wie Ridleys Scotts „House of Gucci“, in dem sich Lady Gaga als machtbesessene Proletariertochter den feinen Adam Driver angelt, der den distinguierten, aber recht lebensuntüchtigen Sohn aus der Gucci-Familie gibt. Noch bevor der Streifen in die Kinos kam, schnellte der Verkauf der Handtaschen des italienischen Luxuslabels in die Höhe. Und das obwohl sich Scotts Film über die Lügen, Intrigen und den Verrat der berühmten Familie recht locker an historische Fakten hält – oder vielleicht gerade deswegen. Wo es um Mode geht, ist der Glamour nicht weit – wenn es um Kleider geht, muss der Zuschauer ins Träumen geraten.
Die perfekte Präsentation eines Kleides, die schöne Ausleuchtung eines Gesichts, die Darstellung von gutem Geschmack und Stil: Sie gelingt im Film idealerweise mit einer hart erarbeiteten Schwerelosigkeit, die zumindest bei „House of Gucci“ ihren Effekt nicht verfehlt. Gegen Ende von Scotts Film wird übrigens ein texanischer Jungspund eingeführt, dessen Kreationen die Modewelt schon bald in Ekstase treiben werden.
Die Stilsicherheit von Tom Ford war vor einigen Jahren auch in einem Streifen zu bewundern, dem man das Etikett „Modefilm“ nur mit Bauchweh umhängt. Wie in jedem guten Film ist in „A Single Man“, dem Filmdebüt von Tom Ford aus dem Jahr 2009, die Oberfläche so präzise und stilsicher, um den emotionalen Kern des Films noch einmal mehr zum Glänzen zu bringen. Wer immer darauf spekulierte, dass Ford eine 90-minütige Modestrecke inszenieren würde, der wurde in der Verfilmung von Christopher Isherwoods Roman über einen schwulen Collegeprofessor, der den Tod seines Geliebten nicht verwinden kann, eines Besseren belehrt.
Sexy in der City
Durchaus ähnlich wie bei „House of ‑Gucci“ durchdrangen hier Mode und Stil einen Film und hoben ihn auf eine höhere Ebene. Bei Robert Altmans Fiasko „Prêt-à-Porter“ war das zum Beispiel nicht der Fall. Und auch in den Verfilmungen von „Sex and the City“ hatte man da so seine Zweifel. Was die Serie über insgesamt sechs Staffeln gut auf den Punkt brachte, nämlich die Oberflächenverliebtheit von vier New Yorker Freundinnen und ihre Modebesessenheit, das wurde bei den beiden Kinofilmen zum Selbstzweck mit viel zu vielen Produktplatzierungen. „Modefilme sind dann am wirkungsmächtigsten, wenn sie sich ihrem Gegenstand unbewusst nähern, indem sie das tun, was Filme am besten können: eine Geschichte erzählen, Charaktere erschaffen und sie in Beziehung zueinander setzen“, schrieb der einflussreiche Modekritiker Tim Blanks einmal, und blickt man auf die Geschichte von Mode und Film, dann kann man ihm nur recht geben. Der in der Film wie Modegeschichte gleichermaßen außerordentlich einflussreiche Film „Blow Up“ von Michelangelo Antonioni war nicht nur eine Feier des Stils der Swinging Sixties, er erzählte auch von der Etablierung eines neuen Frauentyps und von der Mode, die plötzlich von der Straße kommt. In den 1960ern war es auf einmal die Alltagswelt, die die Richtung der Mode mitbestimmte, die Designer schauten auf die Straße und nicht mehr die Straße auf die Designer. In Serien ist dieses Streetwear-Phänomen besonders augenscheinlich, auch wenn es stets Beispiele gibt, wie eine Serie einen Modehype auslösen kann.
„Modefilme sind dann am wirkungsmächtigsten, wenn sie sich ihrem Gegenstand unbewusst nähern, indem sie das tun, was Filme am besten können: eine Geschichte erzählen.” – Modekritiker, Tim Blanks
Auf dem Höhepunkt der Kultserie „Mad Men“ etwa waren Bleistiftröcke, figurbetonte Kleider oder Anzüge im Stil der 60er-Jahre in den Kollektionen der ‑Designer und Modehäuser zu finden. Mit der Ausstrahlung von „Downton ‑Abbey“ ab dem Jahr 2010 erlebte auch die Mode der 1920er-Jahre ein Revival, auf das sowohl die Modeketten der Highstreet als auch der Luxusmalls sofort aufsprangen.
Auch bei den Simpsons spielte bald Mode wieder eine Rolle. Diesmal sollte die Modeindustrie allerdings weniger Freude mit den Bewohnern von Springfield haben. In einer neuen Folge wurden die Auswirkungen der Modebranche auf die Umwelt und auch ihre soziale Dimension thematisiert – mit einem besonderen Fokus auf Fast Fashion. Man sieht: Die Beziehung von Mode und Film hält noch immer und immer wieder Überraschungen bereit.
Von der Rolle
Der frühe Kurzfilm „Serpentine“ der Gebrüder Lumière aus dem Jahr 1899 zeigt, wie eine Avantgarde-Tänzerin im glockenförmigen Kleid auf der Bühne tanzt, während ihr Kleid fortwährend die Farbe wechselt. Handkolorierung machte den Effekt möglich. Vielleicht beginnt mit dieser Szene die leidenschaftliche Liaison von Mode und Film.
Sicher ist jedenfalls, dass das ‑Verhältnis der beiden genauso reichhaltig wie komplex ist. Ob Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ oder John Travolta im weißen Anzug in „Saturday Night Fever“: Das Kino hat immer wieder Modegeschichte geschrieben und die Mode Kinogeschichte. Filme wie „Blow up“, „Prêt-à-Porter“ oder „Zoolander“, in denen die Mode und ihr Business Thema sind, schauen mit Witz und Stil hinter die Kulissen.
Zu Blockbustern wurden Modefilme wie „Der Teufel trägt Prada“, in dem sich Anne Hathaway vom modischen Mauerblümchen zur Fashionista ‑wandelt, oder die Kultserie „Sex and the City“. Letztere war die erste Serie, die mit ihrem Markenfetischismus großen Einfluss auf das Konsumverhalten hatte. Serien wie „Mad Men“ oder „Downton Abbey“ inspirierten ihrerseits die Kollektionen der Designer und großen Labels.
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