Während die Reisewelt nach grünen Alternativen für nachhaltigen Tourismus sucht, rollen Luxuszüge schon mal entspannt voraus. Wir steigen gern ein, denn zu entdecken gibt es hier vieles.
Waggons größtenteils aus Glas, in 400 Meter Gesamtlänge, und sollte die draußen vorüberziehende Landschaft mal nicht konvenieren – per Knopfdruck tauchen dann Alpenrauschen und Traumstrände auf oder das herbstlich gelbe Flirren leuchtender Buchenwälder. „Palast auf Schienen“ nennt der französische Designer Thierry Gaugain sein spannendes Konzept, das zwar noch nicht bei Investoren, aber recht zügig in der Medienlandschaft und bei Formaten wie CNN Travel angekommen ist. Dass das Erlebnis Luxuszug heute neu auf Schiene gebracht wird, ist freilich auch ohne Video-Fenster unübersehbar. In Zeiten von Klimakrise und möglichst schmalem CO2-Footprint hat die Suche nach nachhaltigeren Transportwegen Fahrt aufgenommen. Züge sind dabei besonders gut getaktet, das beschert auch der Edelversion exklusiver Luxuszüge spannende Updates.
Suite Train-Life
Dass sich der exklusivste und berühmteste Zug der Welt einen eigenen Designfahrplan verordnet hat, war da fast zu erwarten. Tatsächlich setzte die aktu-elle Erweiterung des legendären Venice Simplon-Orient-Express mit der Einführung von drei ultraexklusiven Grand Suites kürzlich neue Standards in Sachen Haute Heritage. Der Terminus „Schlafwagen“ trifft es angesichts des atemberaubenden neuen Waggons jedenfalls höchst unpräzise. Das mit der Umsetzung betraute New Yorker Studio Wimberly Interiors ließ sich lieber vom Charme dreier essenzieller Orient-Express-Ziele inspirieren. So reflektiert die „Istanbul Suite“ Dekorelemente des Topkapi-Palastes, glänzt mittels Perlmutteinlage und Bernsteinkristall ganz im Stil ottomanischer Moden. Ähnlich spielerisch inszeniert sich die mit Damaskusseide, feinen Tapisserien und Muranoglaslüster versehene „Venice Suite“, während die „Paris Suite“ lieber der kühnen Eleganz klassischer Artdéco-Moden nachspürt. Was für alle Grand Suites gilt: En-suite-Badezimmer, Fußbodenheizung, In-Room Dinner und 24-Stunden-Butler anstelle herkömmlicher Schaffner verstehen sich von selbst.
Fahrt in die Sixties
Orient-Express für Ein- und Umsteiger – das soll demnächst um ein Luxus-Level bescheidener auf Schiene gebracht werden. Zumindest wenn es nach den Ankündigungen des französischen Hotelriesen Accor geht, der als Hospitality Partner und in Zusammenarbeit mit der staatlichen italienischen Trenitalia den südlichen Nachbarn als potenzielles Ziel für glamouröse Bahnreisen entdeckt hat – und ab 2023 unter der Bezeichnung „Orient-Express La Dolce Vita“ neben Rom und Süditalien auch das kroatische Split in ein Netz luxuriöser Bahnreisen einbinden möchte. Neu entdecken will Accors revitalisierte Marke „Orient-Express“ dabei auch die historische Designlandschaft des legendären italienischen Bel Design – jener Stil der Sixties und Seventies, der ausgehend vom Gravitationszentrum Milano einst den Welterfolg italienischer Eleganz modern interpretierte. Dass ausgerechnet Mailänder Kreative – nämlich Dimorestudio – für die Umsetzung sorgen, emotionale Materialien wie Rattan, Marmor und smaragdgrüne Farbnuancen gekonnt kombinieren, fügt sich perfekt ins Bild – und verströmt unter der Bezeichnung „Refined Nomadic Spirit“ nicht zuletzt einen Hauch von exklusivem Abenteuer.
Swissness auf Schienen
Wie schön, dass wir uns dafür bereits jetzt im grundsoliden Luxus des Schweizer Glacier Express gütlich tun und uns im Rahmen bewährter Alpenpanoramafahrten über die neue „Excellence Class“ freuen dürfen. Sie beinhaltet einen garantierten Fensterplatz mit Blick auf 291 Brücken zwischen St. Moritz und Zermatt – wobei ein eigener Concierge die Landschaften, Naturwunder und Menschen der gerade durchfahrenen Regionen näherbringt. Und nicht zu vergessen die Story Glacier Express selbst: Schon 1930 ließ dieser die Tradition der Luxusbahnreisen, wie es sie vor dem Ersten Weltkrieg gab, auferstehen und bot ‑unvergessliche Ausblicke auf das Matterhorn, auf die Quelle des Rheins und auf die Gletscherwelt des Oberengadins. Das heißt, sofern man den Blick vom Speiseteller abwenden konnte oder wollte: Das 7‑Gang-Menü der „Excellence Class“ schließt samt Apéro an der Bar an diese Tradition an.
Amerikanisches Gipfeltreffen
Genuss auf höchstem Niveau – das versprechen neu konzipierte Luxuszüge längst in vielen Weltregionen. Vom
Venice-Simplon-Orient-Express-Upgrade war bereits die Rede, die Muttermarke Belmond ist aber auch in Südamerika on track. Davon zeugt der nicht allzu lang zurückliegende Start des „Andean Explorer“, Lateinamerikas erster Luxuszug, der von der antiken Inka-Hauptstadt Cusco zum Titicacasee schnurrt. Auch am nördlichen Ende des Doppelkontinents addieren sich grünes Ökoreisen und Luxuszüge zur gepflegten Win-win-Situation. So rollt das kanadische Unternehmen Rocky Mountaineer, Nordamerikas Goldstandard in Sachen Luxuszüge, seit Kurzem und in Form des „Rockys to the Red Rocks“ erstmals auch durch die USA. Start in Denver, dann Querung der Rocky Mountains, schließlich Utahs durchgeknallt rote Sandstein-Phantasmagorien – definitiv ein zweitägiger Trip der ‑Superlative.
Die schnellste Badewanne Japans
Stylisher sind aber die luxuriösen neuen Schlafzüge der Shinkansen-Heimat Japan. Bereits der mit Barpiano, Zypressenholzbadewanne sowie unter den Tischen eingelassenem Horigotatsu-Fußwärmer ausgestattete champagner-farbene „Shiki-Shima“ lässt den Orient-Express alt aussehen. Mit dem „Twilight Express Mizukaze“ schnurrt nun ein weiteres rollendes 5‑Sterne-Hotel durchs Inselreich – und fährt von Osaka aus ins Hinterland der japanischen Westküste. Exklusiv wie die handverlesene Passagierzahl von nur 31 Fahrgästen ist bereits das feine Waggondesign im Stil nostalgisch getunter Modernität, gar nicht erst zu sprechen von der Kulinarik: Chef Hajime Yoneda wurde bereits unter die „100 chefs au monde“ gereiht, sein Kollege Yoshihiro Murata fädelte die Ernennung der japanischen Küche zum immateriellen UNESCO-Welterbe ein. Dagegen sind perfekte Teezeremonien und Ikebana-Blumensteckkunst nur ein Klacks. Dass ein rollendes Gesamtkunstwerk wie der „Twilight Express Mizukaze“ während solcher Performances nicht ruckelt, versteht sich da wohl von selbst.
Unaussprechlich gut – Japans SuperLuxusZug
Superlative werden ja gern und häufig verwendet, wenn es ums Reisen geht. Beim japanischen Shiki-Shima kommt man um dieses Wording jedoch nicht herum. Dieser Zug bringt von Tokio bis zum nördlich gelegenen Hokkaido alles auf Schiene, was definitiv als Superluxus bezeichnet werden kann. Und zwar in jeder Klasse.
Drei verschiedene Reiseklassen stehen zur Wahl: die Standardsuite, eine Deluxe-Variante und die speziell gestaltete Shiki-Shima-Suite, die teuerste und luxuriöseste ‑Option. Wobei Designer Ken Okuyama in jeder Variante höchsten Komfort bietet. Absolutes Highlight in der Shiki-Shima-Suite: eine traditionelle japanische Badewanne und eine zweite Etage für Teezeremonien.
Live-Piano-Musik, außergewöhnliche Menüs von Sterneköchen und riesige Panoramafenster machen das Verwöhnprogramm komplett.
Fahrplan-Lektüre
Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen: Faszination Eisenbahn: Die schönsten Bahnhöfe, Zugstrecken und Geschichten ums Zugfahren.
Liebeserklärung an die Welt der Züge – die definitiv weit mehr ist als die Fortbewegung von A nach B.
Jaroslav Rudiš, Piper Verlag, 2021, 265 S.
Zugvögel
Monisha Rajesh stellt 50 der schönsten Eisenbahnstrecken der Welt vor.
Monisha Rajesh, Gestalten, 288 S.
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