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Wenn man über Daniel Arsham spricht, ist das Subjekt Zeit selbst – eingefroren, erodiert, kristallin sichtbar – und dennoch unaufhörlich in Bewegung.

Der amerikanische Künstler, geboren 1980 in Cleveland und aufgewachsen in Miami, zielt mit seinem Werk auf eine subtile Provokation: Was, wenn unsere Gegenstände in ein paar Jahrhunderten als Relikte einer verlorenen Zivilisation gedeutet werden?

Schon in jungen Jahren begegnete Arsham der Vergänglichkeit auf brutale Weise: 1992 zerstörte Hurrikan Andrew das Haus seiner Familie. Dieser Verlust wirkte wie ein Primärimpuls für sein späteres Schaffen – das Bewusstsein, dass nichts Bestand hat, außer das, was wir als Erinnerung formen. In New York studierte er an der Cooper Union, und zusammen mit Alex Mustonen gründete er das Studio Snarkitecture – eine Plattform, in der Architektur, Installation und Raum selbst deformiert und neu gedacht werden.

Ein Detail, das man kaum erwartet: Arsham ist farbenblind. Über Jahre sah er die Welt in Grautönen – eine Einschränkung, die er in sein ästhetisches Kapital verwandelte. Er fokussierte sich auf Volumen, Textur, Licht und Schatten. Später als er Farben durch Spezialbrillen entdeckte, betrachtete er sie nicht als dekorativen Schmuck, sondern als geologische Substanzen – eine weitere Schicht der Zeit.

Seine Kunst bewegt sich stets zwischen zwei Polen: Vergangenheit und Zukunft. Er greift ikonische Objekte aus Popkultur, Alltagsgerät und High Design – Kameras, Sneaker, Autos, Telefone – und lässt sie altern, verwittern, kristallisieren. Diese Future Relics” wirken so, als ob sie in einem Jahretausende späteren Grab gefunden wurden – eine Umkehrung des archäologischen Blicks.

Die Kollaborationen

2005 – Dior (Hedi Slimane): Räume im Fluss
Seine erste markante Kooperation führte ihn 2005 zu Dior Homme unter Hedi Slimane. Für den L.A.-Store gestaltete er Umkleidebereiche, in denen Wände wie aus Gips zerflossen, Spiegel aus der Wand herausgehoben“ wirkten – ein frühes Statement: Raum ist keine statische Hülle, sondern Material, das sich transformieren kann.

2006 – 2009 – Merce Cunningham: Tanz der Disziplinen
Mit dem Choreografen Merce Cunningham arbeitete Arsham an eyeSpace und weiteren Projekten. Seine Aufgabe: Bühnenbild, Lichtdesign, Kostüme – ohne die Musik oder Choreografie vorab zu kennen. Diese radikale Distanzierung von Kontrolle lehrte ihn, kreative Prozesse losgelöst von festen Gründen zu denken.

2013 – Pharrell Williams: Erinnerungen wachsen
Mit Pharrell entstanden 2013 vier Skulpturen eines Casio MT-500 Keyboards – dem ersten Instrument des Musikers. In Vulkanasche, Kristall und Stahl ausgeführt, ließ Arsham hier eine private Erinnerung zu einem archetypischen Relikt werden.

2018 – Adidas: Geheimnisse unter Licht
Für Adidas entwarf er den Futurecraft 4D Arsham Future“-Sneaker, der unter UV-Licht versteckte Botschaften preisgibt – darunter das Wort FUTURE. Die Verpackung war als Kunstobjekt inszeniert: Handschuhe beigelegt, alles wie ein Museumsexponat. Der Schuh wurde zu einem tragbaren Fragment seiner Philosophie.

2019 – Dior (Kim Jones): Mode als Ruine
Mit Kim Jones kehrte er 2019 zu Dior zurück – dieses Mal als integraler Gestalter der Frühjahr/Sommer-Show 2020. Er errichtete eine Sandlandschaft, aus der kristallisierte Dior-Buchstaben emporragten, und rekonstruierte Artefakte aus Christian Diors Leben – Telefone, Uhren, Bücher – als Relikte einer Luxus-Archäologie.

2019 – 2022 – Porsche: Mechanik in geologischer Zeit
Seine Faszination für Porsche kulminierte in Serien von erodierten“ Skulpturen und fahrbaren Objekten. Der 930A Turbo, der restaurierte 356 Bonsai“, Kristallmodelle – in jeder Version verschränkt Arsham Designgeschichte, persönliche Erinnerung und geologischen Zeitverlauf. Der Porsche wird bei ihm zum Fossil in Bewegung.

2019 – 2022 – Rimowa: Reise als Objektgeschichte
Für Rimowa fertigte er Projekte wie den Eroded Turntable in Pilot Case, bei dem Plattenspieler und Koffer zugleich versteinert werden. Reise, Sound und Objektgeschichte verschmelzen in einem einzigen Artefakt.

2025 – Hublot: Zeit sichtbar tragen
Am 9. Oktober 2025 enthüllte Hublot gemeinsam mit Arsham die MP-17 Meca-10 Arsham Splash Titanium Sapphire in Singapur. Nach der Tropfen-Uhr MP-16 erweitert diese Uhr das Thema: eine spritzerförmige Öffnung im Zifferblatt, transparente Saphirkomponenten, Titan, Kautschuk – alles inspiriert vom Fluss des Wassers. Mit 42 mm Gehäuse, dem Handaufzugswerk MECA-10 und der Limitierung auf 99 Stück wird die Uhr zur tragbaren Skulptur. Der Eindruck eines Tropfens, der verweilt und gleichzeitig entweicht, manifestiert Arshams späteste Vision: Zeit ist Form, die sich im Fluss befindet.

Zwischen Materie und Metapher

Arsham steht in der Tradition von Visionären wie Robert Smithson – die Natur als Mitautor, Zerstörung als Teil des Bildes. Aber er tut mehr: Er bringt Konsumkultur als Sediment in die geologische Zeit. Seine Objekte wirken nicht nostalgisch, sondern als Mahnmale: die Gegenstände unserer Gegenwart könnten schon morgen Relikte sein.

Seine Kollaborationen sind keine sekundären Add-ons, sondern integrale Knotenpunkte seiner Philosophie. Dior, Porsche, Adidas, Rimowa, Hublot – jede Marke bringt eigene Codes, die Arsham dekonstruiert und neu interpretiert. Der Unterschied: Er verzichtet auf plakative Geste und setzt lieber auf stille Poetik – Kristalle, Erosion, Transparenz, Zeit als Material.

In einer Ära, die von Beschleunigung lebt, zwingt uns Arsham zur Langsamkeit: zur Betrachtung, zum Innehalten, zur Reflexion auf das, was bleibt, wenn wir längst verschwunden sind. Seine Werke sind Fossilien des Jetzt – und ein Appell, unsere Gegenwart bewusster zu gestalten.


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