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Kann man Design lernen? Wir haben Herbert ­Grüner, ­Rektor der New Design ­University St. Pölten, über ­Anforderungen, Individualität und die Neuorientierung der Designbranche gefragt.


Rektor Grüner, kann man Design überhaupt unterrichten und lernen – oder ist nicht vielmehr die Kreativität, die schon in einem steckt, das Wichtigste?

Das ist eine sehr berechtigte Frage, die wir uns auch immer wieder stellen. Ein Student oder eine Studentin, die respektive der zu uns kommt, muss schon sehr viel mitbringen. Um zu sehen, was vorhanden ist, machen wir ja ­unsere Eingangsinterviews und lassen uns Portfolios zeigen. Es geht da­rum zu sehen, ob Universität und Bewerber und Bewerberinnen zusammenpassen. Zur anderen Seite der Frage: Es gibt schon Wege, Design zu lehren und zu lernen. Es geht aber natürlich nicht darum, dass einer refe­riert, was Design ist, und der andere schreibt es auf. Gerade kreative Themen kann man nicht vortragen, man muss diese gemeinsam erarbeiten. Wir verstehen uns als Raum der Möglichkeiten, in dem Lehrende und Studierende zusammen einen Schritt weiter in der Entwicklung gehen. Dabei ist indi­viduelle Betreuung ganz wichtig. 

Welchen Betreuungsschlüssel haben Sie hier an der New Design University im besten Fall?

Teils haben wir in Lehrveranstaltungen sieben Betreuende auf einen Lehrenden, manchmal auch 15 Studierende und drei Lehrende. Wir arbeiten sehr teamorientiert – und auch so, dass Lehrende und Lernende aus ihrer Rolle herauskommen und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Dabei coachen sich Studierende auch untereinander. 

Gerade kreative Themen kann man nicht vortragen, man muss diese gemeinsam erarbeiten.”

Was muss man mitbringen, wenn man bei Ihnen studieren möchte?

Man braucht Matura, in Ausnahmefäl­len geht es auch ohne. Aber wir erwarten ein gewisses Theorieverständnis. Es reicht nicht, dass jemand sagt: Ich habe schon im Kindergarten schön gemalt“, sondern man muss auch ein konzeptuelles Verständnis haben. Ausschließlich eine gute Mappe vorzulegen reicht nicht, wir verlangen bei der Aufnahmeklausur u.a. eine literarische Beschreibung eines Werks, um zu sehen, ob jemand erklären kann, was er vorhat. Wir sind eine theoriegeleitete Universität, bauen bei vielerlei Gelegenheit auf neueste Forschung und legen daher Wert auf die theoretische Reflexion dessen, was man tut – auch das gehört zu den gestalterischen Fähigkeiten. 

Wie würden Sie Ihr Haus und seine Ausrichtung beschreiben?

Wir sind keine Kunstuniversität, bei uns sind Gestaltungsaspekt und Anwendungszusammenhang im Mittelpunkt. Wenn wir am Anfang zueinander finden, helfen wir den Studierenden, ihren individuellen Weg zu gehen – und es gibt starke Betreuung, nicht im Sinne von Streicheln zum Erfolg, sondern wir begleiten dorthin, wo derjenige hinmöchte.

Für welche Lehrgänge gibt es besonders großes Interesse?

Als Spezialuniversität für Gestaltung sehen wir rege Nachfrage bei den Studiengängen, die wir schon lange anbieten – wie Grafik- und Informationsdesign oder Innenarchitektur und 3‑D-Gestaltung. Man merkt andererseits, dass je jünger ein Studiengang ist, desto größer auch die Chance ist, noch einen Studienplatz zu kriegen, etwa in den BA-Studiengängen Event Engineering oder Management by Design. Zu den Aufnahmeverfahren sei gesagt: Wenn wir jemanden ableh­nen, ist das keine Geringschätzung, sondern es geht uns darum, jene zu finden, die gerade für unsere Universität die geeignetsten sind. Wer nicht zu uns kommt, ist nicht zwingend falsch in dieser Branche, sondern einfach nur woanders besser aufgehoben. Wir brauchen außerdem robuste Persönlichkeiten, der Kreativbereich ist ja hochsensibel.

Wie kann man die Studenten hierbei unterstützen?

Wir haben Lehrveranstaltungen, die sich mit Resilienz beschäftigen, damit, wie man eine robuste Persönlichkeit wird. Wir legen großen Wert darauf, dass jeder darüber reden kann, was er und sie macht. Die Fähigkeit, dies zu kommunizieren, ist auch ein Zeichen von Robustheit. Denn möglicherweise kommen im Arbeitsalltag auch unangenehme Fragen zu dem, was man entworfen hat. Man muss erklären können, was am Kreierten das Besondere ist – das kann nicht jeder, und das ist etwas, das wir mit unseren Studierenden oft üben. Sie müssen ihre Arbeiten auch vor Gastjurorinnen und ‑juroren präsentieren und mit Fragen und Kritik zurechtkommen.

Welche Rolle spielt die Anbindung an die Praxis? 

Wir kooperieren mit Unternehmen, aber es geht uns dabei nicht um Aus der Praxis – in die Praxis“, sondern darum, dass die Firmen mit Problemstellungen und Herausforderungen an uns herantreten, die wir dann gemeinsam zu lösen versuchen. Wir machen dabei aber nicht die Umsetzung, sondern rein die Konzeption. Wir sind keine Konkurrenz zu den Wirtschaftsunternehmen und kein Dienstleister, sondern entwickeln auf Augenhöhe mit Partnern und Partnerinnen aus der Praxis Konzepte.

Wenn wir jemanden ableh­nen, ist das keine Geringschätzung, sondern es geht uns darum, jene zu finden, die gerade für unsere Universität die geeignetsten sind.”

Sie haben vorher die Hochschule der Künste in Bremen geleitet – welche Unterschiede zwischen deutschen und österreichischen Unis bemerken Sie?

Das Designverständnis ist an allen deutschsprachigen Hochschulen ähnlich. Überall erkennt man zuletzt, dass es nicht mehr um das Produkt allein geht, sondern um Prozessgestaltung, an deren Ende zwar ein Produkt steht, es der Universität aber um den Weg dorthin geht. Anders als an meinem vorigen Arbeitsplatz ist, dass wir eine Privatuniversität sind, die sich viel schneller und dynamischer auf Anforderungen einstellen kann. Wir können Änderungen rascher in unsere Lehrkonzepte einbauen, und wenn wir einmal mehr Studierende als geplant für befähigt halten, können wir auch mehr aufnehmen – wir haben hier nicht so ein starres System wie anderswo. 

Ob hier oder in anderen Ländern: Wie hat sich das Verständnis von Design in den vergangenen Jahrzehnten aus Ihrer Sicht verändert?

Aus meiner Perspektive geht es nicht mehr um die Tatsache, dass ich eine Tasse mache, sondern darum, dass ich von der Idee ausgehe: Ich ­schaffe ein Gefäß zum Trinken – und dann schaue ich, mit welchem Prozess ich das Problem löse. Ganz klar spielt die Digitalisierung außerdem eine große Rolle, auch Ökologie und soziale Verantwortung werden in der Gestaltung viel mehr mitgedacht als früher. Ich beobachte als klare Veränderung, dass die Frage, was mit einem Produkt geschieht, wenn ich es nicht mehr brauche, wichtig geworden ist. Diese Trends konnte man zuletzt klar in der Entwicklung des Designverständnisses generell und überall beobachten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit seinem Projekt definiert NDU-Student Jim Goebel das Thema Reparatur“ in Bezug auf die 5 Schlaf-Phasen originell neu.

Faktisch

Die New Design University (NDU) wurde 2004 in St. Pölten als Privatuniversität gegründet. Man bietet derzeit 15 verschiedene Studienrichtungen und Lehrgänge an. Aktuell lernen rund 600 Studierende an der NDU. Herbert Grüner ist Rektor und Geschäftsführer in Personalunion, er war zuvor an der Hochschule für Künste in Bremen, deren Schwerpunkte im Bereich Musik, Kunst und Design liegen, und als Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee tätig. Sein primäres Lehr- und Forschungsfeld ist die Kreativwirtschaft, insbesondere die Gründung und das Management von Unternehmen in den Creative Industries, Entrepreneurship und Kunst. Er ist außerdem Herausgeber der Edition Kreativwirtschaft“ und der Zeitschrift Hochschulmanagement“ sowie Autor verschiedener Monografien und wissenschaftlicher Beiträge zu seinen Spezialthemen. ndu​.ac​.at

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