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Ein beunruhigender Geist, ein Charakterchamäleon der Sonderklasse. Philipp Hochmair ist der Jedermann 2024 und sorgt dafür, dass Salzburg zum Festspiel wird.

Mit seiner Wandelbarkeit auf der Bühne und im Film fasziniert Philipp Hochmair seine Fans stets aufs Neue. Er verkörpert jede Rolle mit Leidenschaft, Hingabe und einer Bühnenpräsenz mit der Höchstwertung auf der zehnteiligen Intensitätsskala. Sein Mut, sich in unterschiedlichste Rollen zu begeben, macht ihn zu einem vielseitigen Schauspieler. Eine seiner wichtigsten Rollen ist dabei der Jedermann”. 2018 sprang der heute 50-Jährige bei den Salzburger Festspielen über Nacht am Domplatz als Hauptdarsteller ein. Nun, sechs Jahre später, übernimmt er die Rolle unter der Regie von Robert Carsen. Im Interview spricht der Schauspieler über seine wichtigsten Rollen und was der Jedermann für ihn bedeutet.

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SF, Jan Friese ©
Salzburger Festspiele: Philipp Hochmair (Jedermann) und Deleila Piasko (Buhlschaft)

Ausbildung in Wien und Paris

Erinnerst du dich an deine erste große Rolle?
Ja, das war 1992, mit 18 Jahren, der selbstsüchtige Riese“ nach der Erzählung von Oscar Wilde, konzipiert als mobiles Einmann-Stück für Kinder in Kindergärten und Volksschulen. Ich bin damals mit ganz einfachen Mitteln wie ein Geschichtenerzähler von Kindergarten zu Kindergarten gezogen. Im Laufe meines Lebens sollten einige Monologe folgen, wie zum Beispiel Goethes Werther“, der Prozess“ von Franz Kafka oder Hugo von Hoffmannsthals Stück Jedermann“. Mein Schlüssel zu diesen Aufführungen ist, eine ganz persönliche Perspektive, bei der ich in alle Rollen hineinschlüpfe, um die Geschichte ganz heutig und leichtfüßig zu erzählen.

Nach der Ausbildung am Max Reinhardt Seminar in Wien und am Conservatoire national supérieur d’art dramatique in Paris, warst du an diversen Theatern engagiert, ehe du zum Film gegangen bist. Welche Rolle hat dich bisher am meisten geprägt?
Ich würde schon sagen, dass das der Jedermann ist. Das Einspringen über Nacht am Domplatz, die Monolog-Version Jedermann Reloaded“, und nun stehen die Salzburger Festspiele vor der Tür. Dieser Text hat eine große Bedeutung in meinem Leben bekommen. Es ist äußerst selten, dass man einen so bedeutenden Text, in so unterschiedlichen Varianten ausprobieren kann. Den Wunsch das ganze Stück Jedermann” als Monolog zu erzählen bis hin zum Engagement am Domplatz – das ist schon eine außergewöhnliche Reise. 

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Stephan Brückler ©
Philipp Hochmair in „Faust I" (Johann Wolfgang von Goethe)

Jedermann Reloaded“ als Hörerlebnis

Warum ist der Jedermann so wichtig und heute so relevant?

Max Reinhardt wollte mit den Salzburger Festspielen eine Art Anti-Bayreuth, also anti-preußisch, erschaffen. Die Einnahmen sollten zur Linderung der Kriegsnot verwendet werden. Der Erzbischof hatte dem Domplatz als Bühnenbild für das katholische Moralstück zugestimmt, samt Dom-Orgel und Glockengeläut — ganz im Sinne von Max Reinhardt, der sich die ganze Stadt als Bühne“ wünschte. Die Festspiele haben eine lange Tradition in der Aufführung hochwertiger Musik, Opern, Theaterstücke und Konzerte. Sie sind eng mit der österreichischen Kulturgeschichte verbunden und haben im Laufe der Jahre zahlreiche bedeutende Künstler angezogen. Mittlerweile genießen sie weltweit einen exzellenten Ruf. Meine erste Begegnung mit Jedermann“ in Salzburg als junger Schauspielschüler war erst einmal enttäuschend. Der Ereignischarakter blieb mir fremd. Ich bin mit der Frage, was der Reiz an Jedermann sein sollte, alleine geblieben. Diese Irritation hat sicher später zu dem Wunsch geführt, aus dem großen und auch allzu moralischen Stück einen leichtfüßigen Monolog zu machen. 2013 kam es dann zur Gründung der Band Die Elektrohand Gottes‘. Wir wollten mit Jedermann Reloaded“ ein besonderes Hörerlebnis schaffen, um näher an Jedermanns Denken und Fühlen heranzukommen.

Ich will beunruhigen und mich immer wieder in Frage stellen.“ Philipp Hochmair

Vom Theater bis zum Film

Neben deinen Theaterrollen drehst du Filme und Serien wie Blind ermittelt, oder spielst historische Figuren wie Reinhard Heydrich in der Wannseekonferenz oder den Mediziner Otto Prokop in der 3. Staffel der Serie Charité“. Wie erarbeitest du dir die Rollen und gibt es einen Unterschied zwischen Theater und Film?
Ich würde das von der Textform abhängig machen. Eine Rolle wie Mephisto oder Jedermann ist ganz klar vom Rhythmus und der außergewöhnlichen Form der Sprache dominiert. Während es in Vorstadtweiber oder Blind ermittelt vielmehr um die Situation geht, in der sich der Charakter befindet. Die Szenen entstehen meistens schnell und unter einem gewissen Zeitdruck direkt am FIlmset. Während Theater immer mit langen Proben und gemeinsamem Zeitverbringen zu tun hat. Und was noch dazu kommt: Filmmaterial wird im Schnitt verarbeitet. Momente werden vergrößert und verkleinert, Musik darunter gelegt. Da bin ich als Gestalter gar nicht mehr involviert.

Aber generell geht es immer um die Dialog-Struktur. Es geht für mich immer darum die Musikalität des Dialogs abzutasten und herauszufinden, wie so ein Gespräch klingen kann. Das passiert meistens interaktiv mit einem Gegenüber, einem Kollegen oder Assistenten am Tisch. Am liebsten nach einem kleinen Essen, entspannt die Dialoge durchlesen. Immer wieder von vorne. Durch das Wiederholen entsteht eine neue Welt. So tastet man sich immer weiter vor und schlüpft in die Rolle hinein, bis sie auf einmal da ist und auf einen zukommt.

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ARD, ORF, MR Film, Petro Domenigg ©
Philipp Hochmair als Minister Dr. Schnitzler, Kanzlerkandidat in „Vorstadtweiber"

Zwischen Gefahr und Stabilität

In der Wannseekonferenz wo du Reinhard Heydrich spielst, ist die Sprache des Nationalsozialismus sicherlich auch äußerst relevant. Hier kann nichts gekürzt oder umschrieben werden. Das Protokoll steht und somit auch die exakte Wortwahl.
Ja. Das war einmalig in meinem bisherigen Filmschaffen, dass die Sprache – eigentlich wie im Theater — das Geschehen so bestimmt.

Du spielst die unterschiedlichsten Persönlichkeiten, den blinden Kommissar, einen historischen Mediziner, einen bösartigen Massenmörder, einen korrupten Politiker und viele mehr. Unterschiedliche Rollen und demnach würde man dich wohl als Charakterdarsteller bezeichnen. Aber was ist das denn?
Ein Charakterdarsteller lässt sich auf andere Charaktere ein und verwandelt sich. Er sieht vielleicht auch immer wieder ein bisschen anders aus. Und dann gibt es jene Schauspielerinnen und Schauspieler, die im Grunde immer eine ähnliche Rolle spielen. Hans Moser zum Beispiel. Man freut sich als Zuseher darauf, weil er immer derselbe ist. Oder zum Beispiel Pierce Brosnan. Er ist und bleibt immer er, egal ob als James Bond, bei Mrs Doubtfire oder in der Spar-Werbung — er ist immer der selber Mensch, verkörpert irgendwie doch immer eine ähnliche Rolle.

Wer ist dann der bessere Schauspieler, die bessere Schauspielerin?
Diese Frage stellt sich für mich nicht. Das ist reine Typsache. Bei dem einen freut man sich auf seine verlässliche Vertrautheit und fühlt sich sicher, wie bei einem Freund, der auftaucht. Bei dem anderen ist man gespannt, in wen er sich diesmal verwandelt. Bei Orson Wells zum Beispiel kann man sich nie sicher sein, was passiert. Da lauert immer eine Gefahr und ich fühle mich persönlich mehr zu solchen Vorgängen hingezogen. In die Gefahr reingehen. Im Gefährlichen zuhause sein. Sich das Gefährliche zu eigen machen. Ins Widersprüchliche hineingehen. Brosnan beruhigt, geht in die Stabilität, ich will beunruhigen und mich immer wieder in Frage stellen.

Wir auch. Eine Frage noch: Gibt es eine Rolle die du noch sehr gerne spielen würdest?
Vielleicht ein Comeback der Vorstadtweiber”? (lacht) 10 Jahre später! Wie bei Sex and the City”, da gab’s doch sowas auch, oder? Ein Spin off: The return of Doktor Joachim Schnitzler”. Das wäre lustig.

Vielen Dank für das Gespräch!

Karten gibt es online unter salzburgerfestspiele​.at zu kaufen.