Wir leben in einer Ära, in der das Digitale nicht länger abstrakt bleibt, sondern greifbar wird. Daten verwandeln sich in Materie, Algorithmen in Ornamente und Ideen in greifbare Objekte. Der 3D-Druck ist die geheime Alchemie unseres Zeitalters: Er übersetzt Codes Schicht für Schicht in reale Strukturen.
In der Welt des 3D-Drucks geht es um mehr als nur Technik. Es geht um die DNA des Designs selbst. Luxus bedeutet heute nicht mehr nur Exklusivität, sondern auch Individualität und Mitgestaltung. So wächst Schmuck aus Algorithmen und Möbel folgen den Prinzipien von Knochenstrukturen. Fassaden entstehen aus recyceltem Kunststoff und Mode verschmilzt mit Wissenschaft und Bio-Design.
Der 3D-Druck ist der Heilige Gral der Kreislaufwirtschaft. – Hedwig Heinsman, Creative Director AECTUAL
Die Protagonist:innen dieser Bewegung sind keine klassischen Designer:innen, sondern zugleich Forscher:innen, Ingenieur:innen und Künstler:innen. Michael Hansmeyer lässt 3D-Architektur wie Organismen wachsen. Das Designstudio Nervous System erschafft Plattformen für Co-Kreation. Olivier van Herpt macht Keramik zur digitalen Handwerkskunst. Julia Koerner überträgt Architekturgeometrie auf den Körper. Das niederländische Unternehmen AECTUAL denkt Luxusinterieurs zirkulär. Zaha Hadid Architects definieren Bauwerke von Grund auf digital. Antony Gibbon verschmilzt Natur und Habitat.
Das Ergebnis ist eine neue Designsprache – vielschichtig, umweltfreundlich, hyper-personalisiert und grenzenlos in ihrer Formbarkeit. Die Zukunft des Luxusdesigns wird nicht mehr gebaut. Sie wird im 3D-Drucker erschaffen.
1. AECTUAL
Kreislauf neu gedacht: Revolution der 3D-gedruckten Architektur
Aectual, gegründet von Hedwig Heinsman, Martine de Wit und Hans Vermeulen, ist Pionier für zirkuläre Architektur- und Interior-Lösungen. Das Unternehmen produziert mittels großformatigem 3D-Druck und recycelten Abfallströmen. „Der 3D-Druck ist der Heilige Gral der Kreislaufwirtschaft”, sagt Hedwig Heinsman, Creative Director von Aectual. „Wir schaffen aus Abfallstoffen Wert. Alle unsere Interieurs können nach Gebrauch geschreddert und neu gedruckt werden. Das ermöglicht eine unendliche Wiederverwendung.“
Das Team verknüpft Hightech-Algorithmen mit Materialinnovation: Parametrische 3D-Produktalgorithmen generieren maßgeschneiderte Designs, die Marken- oder Kundenstories in eine individuelle Formsprache übersetzen. Für Heinsman ist das „moderne Handwerkskunst“ – sichtbar zum Beispiel an der von Korallen inspirierten Tiffany & Co.-Fassade aus recyceltem Ozeanplastik.
Aectual geht dabei noch weiter: Architektur und Interior-Design werden auf Knopfdruck personalisierbar. Oberflächen und Möbel lassen sich individuell generieren, bleiben aber funktional und den Umwelt- wie Sicherheitsstandards verpflichtet. „Das eröffnet nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für hyperpersonalisierte Räume. Kunden gestalten ihre Einrichtung bereits jetzt mit. Jedes Stück erzählt eine eigene Geschichte.“
2. ANTONY GIBBON
Öko in Form: Architektur zwischen Baumkrone, Topografie und organischer Materialästhetik
Antony Gibbon steht für ein naturinspiriertes und nachhaltiges Architekturverständnis. Er entwirft Architektur im Einklang mit der Natur – nicht nur für, sondern mit der Umwelt. Seine Projekte reichen von ikonischen Baumhäusernbis zu skulpturalen Spa-Anlagen. Sie setzen auf ökologische Baustoffe wie Hempcrete und schaffen eine harmonische Verbindung von Bauwerk und Standort.
Besonders eindrucksvoll ist das A‑F3 Treehouse das mit seinen facettierten, geometrisch mutigen Volumina über den Baumwipfeln zu schweben scheint. Dunkle Holzverschalung, großzügige Dreiecksfenster mit einzigartigen Nature Views und luftige Stege fügen sich zu einer Architektur, die gleichermaßen ikonisch und zurückhaltend wirkt. „Jeder Treehouse-Typ ist eine individuelle Antwort auf sein Habitat und verschmilzt durch Material und Form mit dem Wald“, so Gibbon.
Mit dem Mineral Spa erforscht Gibbon die Symbiose aus Architektur, Topografie und ökologischen Materialien. Organische Volumen aus Hempcrete umschließen Naturpools, Saunen und Gästekabinen. Die Geometrie folgt den Strömungen von Wasser und Dampf und übersetzt sie in eine Architektur als Ökosystem.
Auch die Tendril Gallery oder das Meander House dieses Prinzip fort: Glasbögen, geschwungene Linien und biomorphe Strukturen. Der rote Faden in seinem Werk ist das site-specific design auf höchstem gestalterischen Niveau – Architektur, die nicht dominiert, sondern harmoniert.
3. JULIA KOERNER
Von Couture bis Concrete
Julia Koerner arbeitet an der Schnittstelle von Architektur, Mode und Produktdesign. Sie zeigt, dass 3D-Druck nicht an Maßstäbe gebunden ist. „Im virtuellen Raum spielt die Größe keine Rolle“, sagt sie. „Ich kann dieselben digitalen Entwurfstools für ein Kleid, eine Tasche oder ein Gebäude nutzen. Entscheidend ist, wie die digitale Idee in die physische Welt übersetzt wird.“
Dieses Denken zeigt sich exemplarisch in ihrer ARID Collection. 38 3D-gedruckte Module, die sich ohne klassische Nähte über speziell entwickelte Gelenke verbinden, ergeben konfigurierbare und wandelbare Kleidungsstücke. Genauso entstehen ihre Taschen aus biobasierten Polymeren: Sie sind hochpräzise gefertigt, dabei leicht und zugleich robust.
Bekannt wurde Koerner einem breiten Publikum durch ihre Hollywood-Arbeiten im 3D-Druck. Gemeinsam mit Kostümdesignerin Ruth Carter entwarf sie die ikonische Krone von Angela Bassett in „Black Panther“. Sie wurde in einem Stück 3D-gedruckt, ist architektonisch inspiriert und zugleich filmisch ikonisch.
Doch Koerner bleibt nicht bei Mode. Für Initiativen wie ICON denkt sie über 3D-gedruckte Tiny Homes aus Beton nach. Parallel entstehen filigrane Vasen auf Desktopdruckern fertigt. Der rote Faden ist dabei ein fließender Wechsel zwischen Maßstäben, Materialien und Ausdrucksformen.
„3D-Druck transformiert unser Verständnis von Materialität und Luxus”, erklärt sie. „Er erlaubt uns, Porosität, Textur und Stärke direkt in die Form einzuschreiben, und er eröffnet eine neue Welt der Personalisierung und Nachhaltigkeit. Für mich bedeutet Luxus heute nicht Logos, sondern Einzigartigkeit und Verantwortung.“
5. MICHAEL HANSMEYER
Die Poesie der algorithmischen Komplexität
Wie ein Barock des digitalen Zeitalters: Mit seinen algorithmisch generierten Architekturen bringt Michael Hansmeyer die Vorstellungskraft an ihre Grenzen. Seine Methode verlässt klassisches CAD-Design und Standardisierung. Stattdessen entsteht ein Dialog zwischen Architekt und Algorithmus. Kontrolle wird durch Suche ersetzt, der Entwurf durch ein orchestriertes Prozessgeschehen. Das Ergebnis ist überraschend und eindrucksvoll.
Von den ornamentalen Sandsteingrotten der Serie Digital Grotesque bis zum 3D-gedruckten Tor Alva in den Schweizer Alpen zeigen Hansmeyers Arbeiten, dass Komplexität ein Erlebnis ist. „Minimalismus behauptet: Weniger ist mehr. Aber was, wenn mehr tatsächlich mehr ist? Komplexe Formen laden zum Entdecken ein. Sie erzeugen Ehrfurcht und Erhabenheit – ohne historische Zitate.”
Mit dem Tor Alva verlässt Hansmeyer das Experimentierstadium. Der 3D-gedruckte Turm ist bewohnbar, tragend und wurde Schicht für Schicht ohne Schalung gefertigt. Das Bauwerk zeigt eine Detailvielfalt, die bisher undenkbar war. Damit beweist Hansmeyer, dass additive Fertigung nicht nur effizienter und ressourcenschonender ist, sondern auch eine neue architektonische Sprache eröffnet.
Die eigentliche Provokation liegt in der Verschiebung der Urheberschaft: Der Architekt wird nicht mehr als einsames Genie verstanden, sondern als Dirigent von Prozessen. „Der Reiz liegt darin, gerade so viel Kontrolle abzugeben, dass das Unerwartete entstehen kann.” Hansmeyers digitale Architektur ist somit weniger ein Produkt als eine Erfahrung – eine Einladung, sich im Unendlichen der digitalen Formen zu verlieren.
6. NERVOUS SYSTEM
Generatives Design als Nature-Tech-Couture
Das von Jessica Rosenkrantz und Jesse Louis-Rosenberg gegründete Studio Nervous System verfolgt seit fast zwei Jahrzehnten einen radikal neuen Ansatz. Anstatt feste Formen zu entwerfen, entwickeln sie generative Design-Systeme, die nach den Wachstumsprinzipien der Natur funktionieren. Mithilfe von Algorithmen, inspiriert von Korallen, Blattadern und Zellstrukturen, entstehen 3D-gedruckte Schmuckstücke, Leuchten und Kleider. Sie sind nicht statisch, sondern das Ergebnis dynamischer Prozesse. Jedes Objekt wird zum Unikat – jede Kundin und jeder Kunde zum Co-Creator.
Über interaktive Online-Tools können Nutzer:innen Armbänder, Lampen oder Wohnobjekte selbst gestalten. Anschließend werden sie als Einzelstücke im 3D-Druck gefertigt. Der Paradigmenwechsel: Komplexität kostet nicht mehr. Hochdetaillierte Designs sind ebenso erschwinglich wie einfache.
„Unser Ziel ist es, Systeme zu schaffen, nicht Objekte“, erklären die Gründer:innen. „So wird Design für alle zugänglich – und jeder kann aktiv teilhaben.“ Damit formuliert Nervous System eine Haltung, die die Gründer:innen selbst als „fast anti-luxuriös“ beschreiben. Was früher teure Handarbeit und exklusives Luxusgut war – Individualisierung, Einzigartigkeit und Mitgestaltung – wird hier demokratisiert und skalierbar gemacht.
Ihre Kollektionen, wie etwa Floraform oder das ikonische Kinematics Dress, das aus Tausenden beweglichen Polygonen gefertigt ist, haben es bis ins MoMA und ins Cooper Hewitt geschafft. Sie definieren eine neue Form von Luxus, die sich nicht durch Marke oder Material, sondern durch Prozess, Partizipation und persönliche Verbindung definiert.
7. ZAHA HADID
Digitally Native Architecture
Mit ZHA CODE, der Computational Design Group von Zaha Hadid Architects, hat Shajay Bhooshan eine Plattform geschaffen, die Architektur von Beginn an digital denkt. Ziel ist nicht die nachträgliche Digitalisierung, sondern eine digitale Praxis. Geometrie, Algorithmus und Robotik begleiten den gesamten Prozess – von der Idee bis zur baulichen Umsetzung.
Die Projekte – von der Installation Thallus auf der Milan Design Week 2017, einer algorithmisch generierten Spiralskulptur aus sieben Kilometern 3D-gedrucktem Kunststoff, über KnitCandela bis zur Striatus-Brücke (Venedig Biennale 2021) – markieren eine neue architektonische Sprache. Striatus ist ein 16 x 12 Meter großer, unbewehrter Bogensteg aus 3D-gedruckten Betonelementen, errichtet ohne Mörtel oder Schalung. Er zeigt, wie sich Geometrie statt Masse zur Kraftübertragung nutzen lässt und wie zirkuläres Bauen mit „Reduce, Reuse, Recycle” im Betonbau möglich wird.
Bhooshan betont: „Digital Concrete ist der Schlüssel zu nachhaltiger Architektur. Mit geometrischer Intelligenz lassen sich nicht nur Material- und Energieverbrauch drastisch senken, sondern es entsteht auch eine neue visuelle Sprache: béton nouveau statt béton brut.“
Für ihn bedeutet der 3D-Druck einen Paradigmenwechsel. Historische Bauweisen wie Mauerwerk oder Gewölbe werden mit algorithmisch neu interpretiert und mit robotischer Präzision verbunden. Das Ergebnis sind effiziente, zerlegbare und wiederverwendbare Strukturen mit zukunftsweisender Ästhetik.
„Unsere Aufgabe ist es, Systeme zu demokratisieren: digitale Werkzeuge, die nachhaltige Städte ermöglichen. Architektur wird damit zur gesellschaftlichen Innovation – schnell, ressourcenschonend und partizipativ. Das ist eine Chance, unsere gebaute Umwelt im 21. Jahrhundert neu zu denken.“
8. OLIVIER VAN HERPT
Digitale Keramik mit Maschinenhandschrift
Olivier van Herpt sprengt die Grenzen zwischen Keramik-Handwerk und Hightech-3D-Druck. Der niederländische Designer und Maschinenbauer entwickelt 3D-Drucker für Ton, Porzellan und sogar Bienenwachs. Diese drucken nicht linear, sondern „tröpfelnd“, ähnlich wie wachsende Stalagmiten. So entstehen präzise, einzigartige und variantenreiche Keramikgefäße.
Bekannt wurde van Herpt durch großformatige 3D-Keramikdrucke mit einer Höhe von bis zu einem Meter. Serien wie Curves oder Dunes zeigen, wie Schichtung und Imperfektion zur ästhetischen Qualität werden. Jedes Objekt trägt die Handschrift der Maschine und wirkt zugleich wie handwerklich geformt. Seine jüngsten Porzellan-3D-Druckwerke, die vom Kunstmuseum Den Haag angekauft wurden, markieren einen Meilenstein im digitalen Keramikdruck.
Für van Herpt ist die Maschine nicht nur ein Werkzeug, sondern ein kreativer Partner: „Jedes Objekt existiert nur, weil ich zuerst das Werkzeug entworfen habe.“ Er versteht sich somit weniger als Produzent von Objekten, sondern vielmehr als Entwickler von Werkzeugen, die neue Formen des Machens ermöglichen.
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