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Die Aurora borealis ist eines der faszinierendsten und gleichzeitig geheimnisvollsten Naturschauspiele der Welt. Physiker und Nordlicht­forscher Asgeir Brekke bringt Licht ins Dunkel.

Im nordnorwegischen Tromsø, dem Tor zur Arktis“, wie die Stadt auch genannt wird, kann man das Nordlicht besonders gut beobachten. Das heißt, wenn man nicht gerade zwischen Ende Mai und Ende Juli hierherkommt, denn während dieser beiden Monate ist hier Mittsommerzeit: Die Sonne leuchtet dann 24 Stunden vom Himmel. Um das Nordlicht zu sehen, braucht es einen dunklen Himmel und eine klare Sicht, weiß der Physiker und Nordlichtforscher Asgeir Brekke. Seit über 50 Jahren lebt und forscht er in Tromsø und beschäftigt sich mit diesem faszinierenden Lichtschauspiel am Himmel. In all seinen Einzelheiten ist das Phänomen bis heute nicht erforscht. Im Gespräch gibt Brekke erhellende Einblicke.

Seit dem Einzug der Digitalkameras haben auch Hobbyfotografen die Möglichkeit, die roten, grünen oder gelben Lichter in großartigen Fotografien in Szene zu setzen.”

Herr Brekke, woher weiß man, dass es auch hier bei uns in Österreich und Deutschland schon lange Beobachtungen des Nordlichts gibt?
In meinem Buch („The Northern Light. From Mythology to Space Research“, 1983 Anm. d. Red.) sehen wir Zeichnungen aus dem Mittelalter, eine stammt aus Ungarn von 1787, oder diese hier, 1570 aus Böhmen. Die Menschen haben die Nordlichter bereits vor Hunderten Jahren gesehen und sie auch gezeichnet. Als Naturschauspiele gaben die Lichter bereits im Mittelalter Anlass zu wilden Spekulationen über Weltuntergänge oder drohende Katastrophen. Die Menschen glaubten, dass das Nordlicht eine Art Prophezeiung sei für etwas Schlimmes, das uns bald widerfahren würde. Wir wissen, dass es bereits im Mittelalter ein Thema auch hier in der Gegend war, denn bei hoher Aktivität der Sonne sieht man die Aurora borealis, so heißt das nördliche Polarlicht im Wissenschaftsjargon, sogar in Österreich. Es gibt zum Beispiel Flugblätter aus dem 15. Jahrhundert, die davon berichten. Sogar aus dem Alten Ägypten gibt es Quellen diesbezüglich. Hier in Mitteleuropa haben sich die Menschen noch mehr vor dem Licht geängstigt als bei uns oben im Norden – eben weil man es bei uns gewöhnt war, Nordlichter am Himmel zu sehen, während es hier in Österreich ein relativ seltenes Phänomen ist. Ein starkes Licht am Himmel wird oft mit Gewitter assoziiert, und das macht Angst, obwohl dem Polarlicht ein ganz anderer Mechanismus zugrunde liegt als dem Gewitter.

Für alle, die es noch nie gesehen haben: Wie sieht ein Polarlicht denn eigentlich aus?
Manchmal ist das Licht ganz scharf akzentuiert und sieht aus wie eine Brücke über dem Himmel. Dann wiederum kann es wie farbige Bänder, Fäden, Flammen oder auch wie ein leuchtender Vorhang erscheinen. Manchmal bewegt sich das Leuchten aber auch, es vibriert und bricht dann plötzlich ab. Meistens ist es ein diffuser Lichtteppich, der plötzlich auftaucht oder sich eben langsam entwickelt und heranwächst. In Tromsø ist er meistens grün bis grüngelb. Aber es gibt auch noch andere Farben: Manchmal ist das Nordlicht auch blau und rot. Generell sieht man im Süden mehr Rot, in Tromsø im hohen Norden mehr Grün. 

Wann kann man das Nordlicht am besten sehen?
Das Wetter muss auf jeden Fall klar sein, damit man das Licht sehen kann, denn die Aurora borealis liegt über den Wolken. Die sind etwa zehn bis zwölf Kilometer über dem Boden. Das Nordlicht hingegen findet in 110 Kilometer Höhe oder sogar noch höher statt. In den dunklen Wintermonaten kann man z.B. in Spitzbergen manchmal bereits gegen Mittag Nordlichter beobachten. Für gewöhnlich tritt es aber erst nach 18.00 Uhr auf. Manchmal ist das Licht auch dynamisch, verändert Form und Farben. Seine Position und seine Form sind übrigens bestimmt vom Magnetfeld der Erde. Deshalb sieht man oft eine Linienstruktur im Licht – das ist die Anziehung des Erdmagnetfeldes. 

Ein Nordlicht besteht aus Billionen von Teilchen, die zur selben Zeit brechen.”

Trotzdem bestimmt nicht die Erde, sondern die Sonne, ob wir Nordlichter sehen, oder?
Genau. Alles beginnt damit, dass die Sonne elektromagnetische Teilchen abstößt – Protonen und Elektronen. Je nach Intensität und Richtung des Sonnenwindes gehen die dann manchmal in Richtung Erde. Bis die Teilchen die Erdatmosphäre erreichen, dauert es etwa zwei Tage. Wenn sie nah genug sind, schnappt sich das Magnetfeld der Erde diese Teilchen und saugt sie auf. Deshalb kommt es auch zu den oben erwähnten Streifen im Licht – es wirkt, als hätte das Licht eine Mission. Die Teilchen bewegen sich mit den Magnetfeldlinien der Erde. Die elektromagnetischen Teilchen erreichen aber nie den Erdboden, weil die Atmosphäre sie vorher bricht. Beim Eintreten in die obere Atmosphärenschicht der Erde werden sie vom Erdmagnetfeld an Nord- und Südpol geleitet und entladen sich dort. Das passiert in etwa 110 Kilometer Höhe, teilweise geht es auch herunter bis auf 80 Kilometer. Die Teilchen kollidieren mit Molekülen und Atomen, und dabei entsteht Energie. Diese Energie sehen wir in Form von Licht – das ist das Nordlicht. Ein Nordlicht besteht aus Billionen von Teilchen, die zur selben Zeit brechen. Nur bei einem starken Sonnensturm passieren solche Entladungen auch über Mitteleuropa. 

Wie kommen die Farben zustande?
Welche Farben hier entstehen, hängt von den atmosphärischen Gasen ab und auch von der Höhe, in der die Teilchenkollision passiert. Sauerstoffatome emittieren grünes und rotes Licht, die Stickstoffmoleküle blaues und violett-rotes Licht. Manchmal bleibt das Licht nur zehn Minuten bestehen, dann wieder stundenlang. Mit etwas Glück sieht man eine Korona, einen Lichtkranz aus Grün, Violett, Weiß und Rosa, der sich in alle Richtungen über den Nachthimmel verteilt.

Wie erforscht man denn nun dieses außergewöhnliche Lichtphänomen?
Die ersten Polarlichtforscher gab es schon im 17. Jahrhundert! Celsius beispielsweise stellte fest, dass sein Kompass jedes Mal verrücktspielte, wenn das Nordlicht am Himmel war. Galileo Galilei gab diesem Lichtphänomen den Namen Aurora borealis, nördliche Morgenröte“, weil es auf niedrigeren Breitengraden rötlich schimmert. Heute haben wir unbemannte Raketen, die das Nordlicht erforschen. Die ersten, die wir losgeschickt haben, hatten vor allem optische Instrumente an Bord, sie haben das Licht vor allem beobachtet und danach geschaut, wo es am meisten Licht gibt, wo und wie Licht produziert wird. Es ging also darum, ein Lichtprofil zu erstellen. Später haben wir damit begonnen, jene Teilchen zu erforschen, die auf ihrem Weg die Rakete getroffen haben. Ihre Energiedichte, ihre elektrische Aufladung, all das hat uns interessiert. 

Ist das Phänomen schon zur Gänze erforscht?
Wir können mittlerweile vieles erklären. Wir wissen heute, dass das Licht von der Sonne ausgeht, dass sein Aussehen und die Intensität durch die Sonne gesteuert werden, seine Position aber vom Magnetfeld der Erde abhängt. Wir können es aber nicht genau vorhersagen, wissen also nicht, wann genau das Licht auftreten wird. Der Grund: Wir können nicht vorhersagen, wie sich die Sonne verhalten wird, also wann sie quasi mit Teilchen schießt“, und selbst wenn sie es tut, muss trotzdem nicht die Erde betroffen sein. Je nach Richtung und Intensität des Sonnenwindes können die Teilchen auch woanders hinfliegen. Auf der Venus und auf dem Jupiter gibt es ebenfalls Polarlichter, das wissen wir. Wahrscheinlich gibt es sogar in anderen Sonnensystemen Polarlichter. 

Heute haben wir das Problem, dass Sonnenstürme unsere Handynetze und Satellitensysteme lahmlegen können, weil elektrische Partikel die Radiowellen in den übertragenen Signalen stören.”

Wenn wir das Nordlicht vorhersagen könnten, wären einige Katastrophen vermeidbar gewesen, nicht wahr?
Genau. Wenn es etwa eine lange Stromleitung gibt, die unter einem Polarlicht verläuft, kann es zu Stromausfällen kommen. 1989 waren in Kanada nach einem Sonnensturm Millionen Menschen für Stunden ohne Strom. Heute haben wir das Problem, das Sonnenstürme unsere Handynetze und Satellitensysteme lahmlegen können, weil elektrische
Partikel die Radiowellen in den übertragenen Signalen stören. In Alaska verläuft eine Pipeline direkt unter dem Nordlichtgürtel. Elektrische Ströme in der Atmosphäre, die mitdem Nordlicht zusammenhängen, können
elektrische Ströme entlang der Pipeline induzieren. Um die Erosion der Pipeline zu verhindern, wurde das Rohr in Abschnitte geteilt und geerdet. Unsere Forschung ist wichtig: Je besser wir die Auswirkungen des Nordlichts beziehungsweise der Sonnenwinde kennen, desto besser können wir reagieren.

Wird es das Nordlicht immer geben?
Das ist nicht gesagt! Das Magnetfeld der Erde verändert sich ständig. Vielleicht wird schon in 100 Jahren Oslo das Nordlicht als Touristenattraktion vermarkten können, weil es dann dort öfter zu sehen sein wird als in Tromsø, wer weiß!

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Asgeir Brekke studierte Physik und begann seine wissenschaftliche Karriere 1966 als Assistent am Auroraobservatorium in Tromsø. Auch für das Spitzbergen Observatorium in Ny-Ålesund war er tätig; dort beobachtete er das Polarlicht, einen ganzen Winter lang. Gemeinsam mit sechs Kollegen war er damals monatelang völlig isoliert von der Außenwelt. Nach mehreren Aufenthalten in den USA kehrte Asgeir Brekke nach Tromsø zurück und kann heute auf eine mehr als 50 Jahre lange Karriere als Nordlichtforscher zurückblicken. Neben der naturwissenschaftlichen Erforschung gilt sein Interesse auch den kulturellen Interpretationen des Nordlichts, die sich in zahlreichen Mythologien wiederfinden lassen.


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