Caroline Palfy will hoch hinaus. Genau wie der Rohstoff, mit dem sie ganz nachhaltig die Baulatte höher legt. Die Baumeisterin konstruiert wahre Wunderwerke aus Holz. Wie das funktioniert, verrät sie im Talk.
Nachhaltigkeit ist das Thema dieser Tage. Eine, die es bereits seit Jahren in der Baubranche umsetzt, ist Caroline Palfy. Die österreichische Baumeisterin hat bereits 2014 mit der Planung des HoHo Wien begonnen – mit 84 Metern das erste Holzhochhaus der Welt. Eine absolute Neuheit, von der in der New York Times und von der BBC berichtet wurde. Der Ingenieurin geht es dabei jedoch nicht um Rekorde, sondern um nachhaltiges Bauen in all seiner Ganzheitlichkeit. Wie das formschön funktioniert, wie die Stadt der Zukunft aussieht und wieso Retro für sie absolut im Trend liegt, erklärt die gelernte Restauratorin im Talk.
Frau Palfy, wir treffen uns hier im Salettl in Wien. Welchen persönlichen Bezug haben Sie zu dieser Location?
Ich war schon lang nicht mehr hier, mag aber diese alten Kastenfenster, die Konstruktionen aus Holz und den traditionellen Charme dieses Gebäudes sehr. Ich komme ursprünglich ja von der Restauration. In der Malerschule in Baden haben wir Fresken restauriert und auch viel mit Holz gearbeitet. Diese Leidenschaft habe ich mir behalten.
War das der Antrieb für Sie, in die Baubranche zu wechseln?
Dieser Weg hat sich nach und nach so ergeben. Als ich die Chance bekam, bei der Conwert anzufangen, habe ich diese genutzt. Anfangs als Mädchen für alles, dann später als Bauleiterin, Prokuristin und schließlich als Geschäftspartnerin von Günter Kerbler.
Wie kam es dann zur Idee für das erste Holzhochhaus der Welt?
Als wir 2014 mit der Planung des HoHo Wien begonnen haben, klang das alles wirklich sehr utopisch. Zu dieser Zeit war Nachhaltigkeit eher noch ein Randthema und in der Baubranche überhaupt nicht präsent. Ich habe mir aber damals schon Gedanken darüber gemacht, dass es nicht unbedingt nachhaltig ist, dass man jedes Parkett rausreißt und ersetzt, jedes Kastenfenster ausbaut und durch ein PVC-Fenster ersetzt. Ich bin überzeugt, dass man Nachhaltigkeit von vielen Seiten beleuchten sollte. Und so kam es zur Idee des ersten Holzhochhauses.
Das Ergebnis steht jetzt in der Seestadt Aspern. 75 Prozent Holz, 84 Meter, 800 Holzstützen, in 75 Minuten nachgewachsen – so wird Ihr Werk in Kürze beschrieben. Was waren für Sie die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?
Interessanterweise war sogar die Holzbranche am skeptischsten, ob eine der-artige Konstruktion funktionieren würde. Ich wurde durchaus belächelt. Erstaunlicherweise hat es dann wirklich gut geklappt. Wir haben uns für eine Hybridkonstruktion aus Beton und Holz entschieden. Die tragende Konstruktion ist zur Gänze aus Holz und verjüngt sich wie ein Baum in der Höhe. Der Betonkern gleicht die Schwingungen eines Hochhauses aus. Die Brandgefahr war natürlich ein großes Thema. Als wir dann bei einem Versuch 90 Minuten lang bei 2.000 Grad die Holzkonstruktion befeuert haben, war ich schon sehr nervös. Wobei das Ergebnis überzeugt hat: Nur 1,7 Zentimeter sind abgebrannt. Das haben wir mit einer Überdimensionierung gelöst. Im Inneren hat sich die Temperatur gar nicht verändert, während etwa Stahl sich innerlich verbiegen würde.
War das einer der Aha-Momente während des Baus?
Durchaus! Der größte Feind von Holz ist nicht Feuer, sondern Wasser. Wir haben daher nur ein Geschoß pro Woche geflämmt und verbaut, damit wir die einzelnen Teile vor Regen schützen.
Welche Höhen wären beim Bauen mit Holz möglich?
Die 84 Meter Höhe haben sich durch die Baubewilligung ergeben. Prinzipiell wären rein technisch bestimmt auch 100 Meter möglich.
Wobei Sand und – damit auch Beton – ein immer knapperes Gut wird?
Definitiv! Es ist ein Rohstoff, der nicht ohne Ende nutzbar ist. Allerdings werden wir beim Bauen nicht ohne Sand auskommen, daher ist es umso wichtiger, ihn nur dort einzusetzen, wo er auch wirklich gebraucht wird. Somit macht es enormen Sinn, dort, wo es möglich ist, Holz zu verwenden. Ein Rohstoff, der nachwächst. Deutschland hat das etwa bereits erkannt und lässt alle öffentlichen Gebäude in Hybridbauweise errichten.
Holz als Rohstoff ist auch nicht unumstritten. Welches Holz wurde für das HoHo Wien verwendet?
Wir haben mit österreichischer Fichte gearbeitet. Das ist eine der beliebtesten Holzarten für die Baubranche, da sie schnell wächst und eine gute Qualität bietet. Auch hier ist natürlich die Herkunft entscheidend. Wenn man Holz verwendet, wo extra Urwälder dafür gerodet wurden, hat das nichts mit Nachhaltigkeit zutun.
Früher dachte man bei Holzbauten an Blockhütten oder Zirbenstuben. Heute ist Holz ein trendiges Designelement.
Gibt es beim Bauen mit Holz Grenzen für die Architektur?
Rein technisch eigentlich nicht. Da die Elemente bis ins kleinste Detail von den Bauunternehmen gezeichnet werden müssen, ist eigentlich jegliche Form möglich. Da würde ich mir von den Architekten mehr Kreativität wünschen. Man kann Rundungen machen, mit Spannweiten arbeiten, asymmetrische Konstruktionen planen. Die Umsetzung der Ideen erledigen die Baufirmen.
Wohnt es sich anders in einem Haus in Holzbauweise?
Früher dachte man bei Holzbauten an Blockhütten oder Zirbenstuben. Heute ist Holz ein trendiges Designelement. Außerdem zeigen mittlerweile Studien, dass Holz als Umgebung den Puls sinken lässt, was nicht nur atmosphärisch, sondern auch gesundheitlich einen positiven Einfluss hat.
Wie kann das Bauen in Zukunft noch nachhaltiger werden?
So allgemeine Trends wie begrünte Fassaden werden auch im Holzbau angedacht, wobei diese Fassaden in keiner Weise einen Baum ersetzen. Ein Laubbaum ist die beste Beschattung, und im Winter lässt er dennoch das Sonnen-licht durch. Bauen mit recycelten Materialien ist aktuell auch Thema für mich. Wobei das wirklich schwierig ist, da die Aufbereitung der Materialien oft als zu aufwendig erscheint. Was meiner Meinung nach eine Ausrede ist – es ist Zeit, wegzukommen von der Wegwerfgesellschaft, hin zum ressourcenschonenden Umgang mit unserer Umwelt. Auch auf den Baustellen dieser Welt.
Wie sieht die Stadt der Zukunft für Sie aus?
Ich wünsche mir mehr Grün, mehr Satteldächer, ein kleinteiliges Stadtbild. Mehr Bescheidenheit bei Technik und Größe, dafür mehr Fülle in Sachen Ressourcenschonung und Design.
Vielen Dank für das Gespräch!
FAKTISCH
Caroline Palfy ist Ingenieurin, Baumeisterin und Pionierin in Sachen nachhaltiges Bauen. Als Partnerin der Kerbler Holding hat sie mit dem HoHo Wien das erste Holzhochhaus der Welt gebaut. Neuerdings ist sie Geschäftsführerin der Handler Bau GmbH und widmet sich dort auch ihren Lieblingsthemen: Ressourcenschonung, Energieeffizienz, Regionalität und Innovation.
Das HoHo Wien in der Seestadt Aspern ist mit 84 Metern das erste Holzhochhaus der Welt. Die Öko-Bilanz kann sich sehen lassen: Die Holzbauweise spart gegenüber einer Ausführung in Stahlbeton rund 2.800 Tonnen CO2-Äquivalente ein. Das entspricht zirka 20 Millionen Pkw-Kilometern.
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