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Marken suchen heute wie nie zuvor den Dialog mit der Kunst. Signature hat die Künstlerin Julie Mehretu und Thomas Girst, Leiter Kulturengagement bei BMW zu einem Gespräch über das neue Art Car, globale Perspektiven und den wahren Wert von Luxus getroffen.

Julie Mehretu zählt zu den einflussreichsten Künstlerinnen ihrer Generation – ihre großformatigen Werke verbinden politische Dringlichkeit mit architektonischer Abstraktion und zeichnen sich durch Schichtungen, Verschiebungen und visuelle Komplexität aus. Für BMW hat sie nun erstmals ein Auto gestaltet – das neue Art Car. Entstanden ist dabei kein statisches Objekt, sondern ein mobiles Kunstwerk, das Bewegung, Erinnerung und kollektive Erfahrung in sich trägt. Im Gespräch mit Signature spricht Mehretu über Zweifel, Visionen und die Kraft, Kunst über klassische Grenzen hinauszudenken.

BMW Art Car Julie Mehretu Interview 4
BMW ©
Künstlerin Julie Mehretu mit ihrem BMW Art Car

Wenn man Ihre Arbeiten kennt, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis BMW Sie anruft. Waren Sie trotzdem überrascht?
Julie Mehretu: Ja, total. Ich dachte sofort: Das kann ich nicht machen – ich lackiere doch kein Auto! Ich habe zweimal abgelehnt. Aber Thomas blieb dran. Während der Pandemie sah ich ein Foto von der Art Car Jury mit Okwui Enwezor [2019 verstorbener nigerianischer Kurator, Anm. d. Red.] und dachte: Was würde Okwui tun? Die Pandemie war ein Portal. Warum nicht groß denken? Was, wenn ich von Kairo nach Kapstadt fahre – und BMW kümmert sich um die Mobilität? Danach sagte ich zu. 

Was bedeutet das fertige Auto für Sie?
JM: Es ist kein klassisches Bild, eher ein lebendiges Objekt. Die Oberfläche ist wie ein geremixtes Gemälde – es trägt all die Eindrücke und Schichten unserer Zeit in sich. Es fährt durch die Welt und ist Teil von ihr, nicht nur ein Kunstwerk. 

Was ist für Sie heute echter Luxus?
JM: Der größte Luxus ist unser Planet. Morgens aufwachen, den Sonnenaufgang sehen, verbunden sein. Schwimmen, wandern, atmen – das ist wahrer Luxus.

BMW Art Car Julie Mehretu Interview 2
BMW ©
Das BMW Art Car von Julie Mehretu

Worauf kam es Ihnen bei der Arbeit mit BMW besonders an?
JM: Ich wollte das Projekt nur machen, wenn es nicht beim Objekt bleibt. Deshalb bestand ich auf den Workshops, auf dem Austausch, auf der Möglichkeit, ein Netzwerk zu schaffen. Aus dieser Haltung entstand AFMAC – das African Film and Media Arts Collective“.

Was hat Sie an diesem neuen Format interessiert?
JM: Ich arbeite sonst nicht mit Film, aber ich konsumiere ihn ständig. AFMAC war für mich die Möglichkeit, neue Formen der Zusammenarbeit auf dem afrikanischen Kontinent zu denken – mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern, Organisationen und Filmkollektiven. Es geht darum, wie wir zukünftige Formen von Mobilität, Kunst und kollektiver Arbeit neu denken können.

Wie hat das Projekt Ihre eigene künstlerische Praxis beeinflusst?
JM: Ich habe parallel an meinen Bildern gearbeitet. Der Moment in Daytona – das Auto auf der Rennstrecke zu sehen – war ein Wendepunkt. Danach habe ich die Maquette durch mein Studio geschoben, sie zwischen meine Leinwände geparkt, bis sich die Idee formte: Was, wenn das Auto durch das Bild fährt?

Ist das Art Car ein Porträt unserer Zeit?
JM: Ich sehe es nicht als klassisches Porträt, aber als ein Vehikel, das viele Schichten trägt. Es ist durchzogen von Dynamik, von Remix, von Erinnerung – vielleicht ähnlich wie Hauntologie in der Musik. Ein Remix unserer Vorstellung von Zukunft.

BMW Art Car Julie Mehretu Interview 3
BMW ©
Mehretu beim Inspizieren des von ihr designten Art Car

Wenn es darum geht, Kunst und Unternehmen miteinander ins Gespräch zu bringen, ist Thomas Girst eine Schlüsselfigur. Seit 2003 leitet er das Kulturengagement der BMW Group – mit Projekten, die weltweit Maßstäbe setzen. Girst versteht sich dabei weniger als Kurator, sondern als Möglichmacher: Er schafft Räume, in denen künstlerische Freiheit ernst genommen wird – jenseits von Marketinglogik. Im Interview spricht er über das kulturelle Erbe der Art Cars, die Verantwortung von Konzernen und die Kraft echter Kollaboration.

Prof Dr Thomas Girst with Jeff Koons Le Mans 2010 Cr BMW
BMW ©
Prof. Dr. Thomas Girst (r.) mit Kunstikone Jeff Koons (l.) bei Le Mans, 2010

BMW hat 1975 mit Alexander Korda die Art-Car-Serie gestartet, ein Bildhauer. Vorgaben gab es nicht wirklich. Denken Sie so ein Experiment wäre heute für einen Konzern wie BMW noch möglich?
Thomas Girst: Ich stelle mir dieselbe Frage bei den unglaublichen Gebäuden, die zur Außendarstellung von BMW sehr viel beigetragen haben. Angefangen vom Headquarter-Gebäude 1972 von Karl Schwanzer, der dort Unfassbares geleistet hat zu Zaha Hadid in Leipzig und dann die BMW Welt von Coop Himmelb(l)au neben Karl Schwanzers Vierzylinder – ich bin einfach nur beglückt und würde sagen: Ja!

Wie suchen Sie die Künstler für das nächste BMW Art Car aus?
TG: Uns ist wichtig, dass eine unabhängige, internationale Jury die Künstler auswählt – ohne Einfluss des Unternehmens. In der Jury, die Julie Mehretu benannt hat, saßen unter anderem Cecilia Alemani, Hans Ulrich Obrist und Anita Dube. Wir stellen das Fahrzeug – die Entscheidung treffen die Experten. Diese kreative Freiheit ist für uns essenziell.

Was entsteht, wenn sich die visuell-architektonischen Denklandschaften einer Julie Mehretu mit der technikgetriebenen Präzision von BMW kreuzen?
TG: Genau dieses Zusammenspiel macht Co-Creation so stark. Julie ist ein hochpolitischer Seismograph, ihr Interesse an gesellschaftlichen Fragen stand immer im Vordergrund. Uns ist wichtig, dass Künstlerinnen wie sie nicht nur gestalten, sondern sich tief mit dem Projekt einlassen – über die Maquette im Atelier genauso wie über den Besuch beim 24-Stunden-Rennen.

BMW Art Car Julie Mehretu Interview 5
BMW ©
Die Enthüllung des neuen BMW Art Car

Was bedeutet kulturelles Engagement für einen Konzern wie BMW – auch jenseits von Marketing?
TG: Wir verkaufen keine Kunst und haben kein vested interest“. Für uns ist es entscheidend, dass Künstlerinnen und Künstler einen echten Mehrwert schaffen – auch für unsere Ingenieurinnen und Ingenieure. Die kritische Auseinandersetzung ist integraler Bestandteil unseres Designprozesses. Das war schon bei Olafur Eliasson so – und nun auch bei Julie.

Gibt es Überlegungen, die Art Cars als limitierte Serie anzubieten?
TG: Nicht von uns. Wenn eine Galerie oder die Künstlerin das möchte, unterstützen wir das gern – ohne kommerzielles Interesse. Aber wir selbst bleiben da raus.

Wie denken Sie über kulturelles Vermächtnis jenseits des Tagesgeschäfts?
TG: Die Art Cars sind wie Zeitkapseln. Sie spiegeln gesellschaftliche Perspektiven und verändern sich im Blick der Zeit. In Zukunft wird man sie vielleicht so betrachten wie heute Pferdekutschen – als kulturelle Artefakte eines Übergangs. Deshalb ist ihr Wert auch jenseits des Objekts kulturell.

Was entsteht, wenn sich die visuell-architektonischen Denklandschaften einer Julie Mehretu mit der technikgetriebenen Präzision von BMW kreuzen?
TG: Genau dieses Zusammenspiel macht Co-Creation so stark. Julie ist ein hochpolitischer Seismograph, ihr Interesse an gesellschaftlichen Fragen stand immer im Vordergrund. Uns ist wichtig, dass Künstlerinnen wie sie nicht nur gestalten, sondern sich tief mit dem Projekt einlassen – über die Maquette im Atelier genauso wie über den Besuch beim 24-Stunden-Rennen.

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