Die Wiener Architekten LIQUIFER sind gerade dabei, den Mond zu erobern. Ein zukunftsweisender Talk.
Wirtschaftsraum, Tourismusregion, Lebenswelt. Während es auf der Erde immer ungemütlicher wird, erlebt der Mond gerade eine Hochzeit. Selten wurden so viele Pläne rund um den Erdtrabanten geschmiedet. Wie konkret diese Szenarien sind, verraten die Wiener Weltraumarchitekten Barbara Imhof, Waltraut Hoheneder und René Waclavicek im Talk. Mit LIQUIFER sind sie gerade an der Planung der nächsten internationalen Raumstation Lunar Gateway beteiligt. Außerirdische Ideen und nachhaltige Visionen inklusive.
Sie kommen gerade vom International Astronautical Congress. Welche Trends haben Sie mitgebracht?
Barbara Imhof (BI): Man sieht, dass vor allem in den USA ein wahrer Moon Rush ausgebrochen ist – einerseits was Reisen in den Low Earth Orbit betrifft und andererseits Explorationsmissionen zum Mond. Kommerzielle Firmen entwickeln verstärkt Infrastruktur, Raketensysteme, Habitate etc. zur Nutzung und Erforschung des Weltraums und der
Mondoberfläche. Weltraum im Allgemeinen wird zu einem Wirtschaftsraum.
René Waclavicek (RW): Die Rolle der großen Raumfahrtagenturen wie NASA oder ESA wird gerade neu definiert. Vermehrt werden Dienstleistungen aus der Privatwirtschaft bereitgestellt, beispielsweise Transporte zur und auf der Mondoberfläche.
Die Privatisierung des Weltraums?
BI: Prinzipiell ist diese Entwicklung interessant, da sie einen neuen Drive in die Thematik bringt. So wird die ESA-Idee des Moon Village kontextualisiert. Es ist daher nur logisch, dass die Raumfahrtagenturen jetzt auf private Dienstleister zurückgreifen.
RW: Wobei man diese Entwicklung am Transportsektor schon länger kennt. Space X etwa entwickelt selbstständig Raketensysteme, die dann auch kosteneffizienter agieren. Man darf davon ausgehen, dass sich ähnliche Entwicklungen auch in anderen Bereichen anbahnen.
Waltraut Hoheneder (WH): Durch private Akteure wie Elon Musk ist das Thema Weltraum wieder viel mehr in den Medien präsent, es wird viel Storytelling betrieben, wodurch das Interesse der Allgemeinheit angeregt wird.

Barbara Imhof, René Waclavicek und Waltraut Hoheneder wissen, wie intergalaktisches Leben funktionieren kann.
Blackouts und andere Katastrophenszenarien werden immer öfter zum Thema. Falls es auf der Erde zu ungemütlich wird, ist ein Leben am Mond eine realistische Zukunfts-vision?
RW: Ich halte diese Vision von einem Planeten B nicht für ein realistisches Szenario. Schließlich ist es viel aufwändiger, eine lebenswerte Umwelt etwa am Mars zu kreieren, als die Erde bewohnbar zu erhalten.
WH: Diese Vorstellungen, dass nur ein paar gerettet werden und die anderen müssen auf der Erde bleiben, halte ich für deprimierend und nicht realistisch. Viel eher geht es doch darum, die Erde mit allen Möglichkeiten lebenswert zu erhalten. Probleme zu erkennen und daran zu arbeiten, etwas zu verändern.
Womit wird uns die Weltraumarchitektur in Zukunft überraschen?
RW: Die Weltraumbehörden haben eine Technologie-Roadmap, die unterschiedliche Zeithorizonte bearbeitet. Für die nächsten Jahrzehnte steht dabei etwa der bemannte Flug zum Mars am Programm. Einmal Fußabdrücke zu hinterlassen ist dabei ein zeitnäheres Ziel, als wirklich dort einen Außenposten zu errichten. Während man innerhalb von drei Tagen am Mond ist, dauert eine Marsmission Jahre. Ziel eins ist somit, den Mond zu besiedeln. Er ist ein gutes Testfeld, da die prinzipiellen Strukturen ähnlich sind wie am Mars. Dafür wird gerade an neuen Transportsystemen gearbeitet.
“Während man innerhalb von drei Tagen am Mond ist, dauert eine Marsmission Jahre.” – René Waclavicek
BI: Um diese Infrastruktur am Mond zu gestalten, soll es das Lunar Gateway geben, eine neue internationale Raumstation, die um den Mond kreisen soll. Europa wird dafür auch ein Habitat beisteuern, an dessen Gestaltung wir beteiligt sind. Mit sechs Meter Länge und drei Meter Durchmesser ist es sehr klein und soll vier Astronauten Platz bieten. Wesentlich sind lebenserhaltende Systeme, die Platz benötigen und als Backup doppelt vorhanden sind. Gerade wird an einem 1:1‑Mockup gearbeitet, um zu sehen, ob die Besatzung von schlafen bis experimentieren alles in diesem Habitat durchführen kann.
RW: Schritt zwei ist dann ein Außenposten am Mond. Wobei es hier darum geht, die örtlichen Ressourcen zu nutzen. Ein wesentliches Thema ist dabei der Strahlenschutz.

Welche Innovationen gibt es auf diesem Gebiet?
BI: Ziel ist es, Bauelemente aus örtlichen Baumaterialien zu verwenden und mittels 3‑D-Druck etwa am Mond zu produzieren. Dazu laufen gerade Laborversuche, wie man Sand so schmelzen kann, dass er als Bauelement vor kosmischer Strahlung schützt.
WH: Reduzierung von Nachschub und Ressourcenschonung sind wesentliche Themen. Daher geht es darum, so weit wie möglich zum Selbstversorger zu werden. Den Kreislauf zu schließen. Gewächshäuser und Pflanzen spielen dabei eine wesentliche Rolle, nicht nur um Nahrung herzustellen, sondern auch weil sie für Menschen in Sachen Ambiente wichtig sind. Prinzipiell sind auch Mikroben gut geeignet, da sie einfacher zu kultivieren sind, sich teilweise extremen Umgebungen gut anpassen können. Manche von ihnen z. B. Mikroalgen erzeugen, so wie Pflanzen, Sauerstoff. Kreislaufsysteme zu entwickeln, das sind wichtige Ansätze, die auch auf der Erde von Vorteil und zukunftsweisend sind.

Was kann man von der Weltraumarchitektur für die Erde lernen?
WH: Wie man effizient mit Ressourcen umgeht. Wie gutes Recycling funktioniert. Im Weltraum kann man es sich nicht leisten, Dinge zu verschwenden. Das ist ein schöner Ansatz auch für das Leben auf der Erde.
RW: Im Weltraum wurde schon früh recycelt – vom Urin bis zur Luft. Alles, was geplant wird, sind nachhaltige Systeme. Das Ziel ist, von der Schraube bis zum Paneel alles mehrfach zu verwenden, sodass ungenutzter Abfall weitgehend vermieden wird. Die grundsätzliche Herangehensweise, wie man auf fremden Himmelskörpern überlebt, hilft auch, unseren negativen Einfluss auf der Erde zu reduzieren.
BI: Unsere Forschung und Arbeit leistet somit auch einen Beitrag zum Überleben auf der Erde.
Vielen Dank für das Gespräch!
LIQUIFER Systems Group
Ein interdisziplinäres Team aus Architekten und Ingenieuren mit Kompeten-zen in Weltraumforschung und ‑architektur. 2003 von Dr. Barbara Imhof (im Bild unten Mitte) gegründet, wird es seit 2005 mit Waltraut Hoheneder und seit 2019 mit René Waclavicek als weiteren Geschäftsführern geführt. Aktuelles Projekt ist die Innenausstattung des Habitat-Moduls der nächsten internationalen Raum-station Lunar Gateway. Der Nachfolger der ISS soll um den Mond kreisen und vier Astronauten ein bequemes Zuhause bieten. Genau diese sechs Meter lange und drei Meter im Durchmesser große WG mit spektakulärer Aussicht wird nun als Habitat-Modell gestaltet.
liquifer.com

Lektüre für Kunstinteressierte

Musikalisches Erlebnis

Verwöhnmomente für Körper und Seele
07.Jänner.2021
Vorwärts in die Steinzeit
Energie der Zukunft! Wie aus Backstein eine Batterie wird.
Gebäude speichern Energie, das ist keine neue Erkenntnis. Die Wärme der Sonne ist noch lange, nachdem sie untergegangen ist, auf Hausmauern zu spüren. Neu aber sind speziell beschichtete Ziegelsteine, die an der Washington University entwickelt wurden. Sie sind nämlich imstande, diese Energie auch zu nutzen. Ihr Geheimnis sind Nanofasern eines elektrisch leitfähigen Kunststoffs, die mithilfe einer Flüssigkeit ins Innere der Steine geleitet wurden. Die Theorie der Wissenschaftler hat sich bewahrheitet, aus dem Backstein wurde so eine Batterie. Wird diese Technologie zum Beispiel mit Solarzellen gekoppelt, könnte Strom für eine Notbeleuchtung gespeichert werden. Aktuell reicht die Energie aus einem Power-Ziegelstein gerade einmal für eine kleine LED-Lampe, die Idee ist aber trotzdem einleuchtend.
01.Juni.2022
Digitaler Klangraum
In Frankfurt eröffnete das erste Museum für elektronische Musik – mit an Bord: Samsung als starker Technikpartner.
Technologie ist aus der Kulturszene nicht mehr wegzudenken. Künstliche Intelligenz mischt den Kunstmarkt auf, interaktive Kulturräume und digitale Klangwelten entstehen. Bestes Beispiel: elektronische Musik. Es gibt wohl keine Musikrichtung, die Kunst, Kultur und Technologie in den letzten Jahrzehnten so stark beeinflusst hat wie sie. Seit April kann man sich davon in spektakulärem Rahmen hautnah überzeugen: Im „Museum of Modern Electronic Music“ (MOMEM) in Frankfurt am Main wird ab sofort die spannende Geschichte von Techno, House und der Clubkultur erzählt. Und zwar in innovativster Form – sowohl was den Inhalt als auch was die Präsentation betrifft. Als exklusiver Technikpartner stattet Samsung das einzigartige Museum mit seiner neuesten Displaytechnologie aus und bietet Besuchern und Passanten ein interaktives Museumserlebnis.
15.März.2023
Traum Frei Raum
Pritzker-Preisträger Francis Kéré baut intensiv an seiner Vision einer besseren Welt. Das Ergebnis: preisgekrönte, natürliche Architektur mit Designfaktor.
Jeder verdient Qualität. Jeder verdient Luxus – und jeder verdient Komfort. Wir sind miteinander verbunden. Und die Sorgen um Klimawandel, Demokratie und Knappheit gehen uns alle an“, bringt Francis Kéré seine Sicht auf Architektur, Design und die Welt auf den Punkt. Der Baukünstler aus Burkina Faso verwandelt mit seiner Architektur Schlagworte wie Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in reale Bauwerke. Seine nutzerfreundlichen Schulen, Krankenstationen und Wohnungen sind nicht nur Kunstwerke für sich, sondern vor allem erlebbare Räume, bei denen stets soziales Engagement und die gekonnte Verwendung regionaler Materialien im Vordergrund stehen. Ein starkes Zeichen dafür, wie man mit Architektur die Gesellschaft verändern kann. Dieser Zugang wurde dieses Jahr mit dem Pritzker-Preis gewürdigt. „Francis Kéré leistet Pionierarbeit im Bereich der Architektur. Nachhaltig für die Erde und ihre Bewohner – in Ländern mit extremer Knappheit. Er ist gleichermaßen Architekt und Diener, indem er Leben und Erfahrungen unzähliger Bürger verbessert. In einer Weltregion, die manchmal vergessen wird“, kommentierte Tom Pritzker die Entscheidung.

Magazin - Gourmet März 2022
Dinner fürs Auge
In Zürich, London, Paris oder Wien gilt: Art goes Kulinarik – und umgekehrt.
Magazin - Lifestyle März 2022
Auto-Biografie
Ein Fahrtenbuch über temporeiche Stilikonen der Popkultur.
Magazin - Lifestyle März 2023
Die Magie des Echten
Topdesigner Sebastian Herkner liebt das Spiel mit Materialien. Ein Talk.