Die Wiener Weltraumarchitekten LIQUIFER starten mit außerirdischem Wohndesign gerade richtig durch.
There’s a starman waiting in the sky …“ David Bowies Songzeilen schwirren einem unweigerlich durch den Kopf, sobald man das Büro der Wiener Weltraumarchitekten LIQUIFER Systems Group betritt. Öffnet man die unscheinbare weiße Bürotür, fällt der erste Blick sofort auf einen großen Weltraumschlafsack an der Wand. Dieser scheint über den Schreibtischen zu schweben und lässt sogleich erahnen: Hier, ein paar Stockwerke über dem Donaukanal, entstehen Pläne für andere Welten. Das Architektenteam von LIQUIFER hat sich der Idee verschrieben, den Weltraum aktiv zu gestalten. Ob für Sternenmänner oder Erdenbürger. Mit Design und Kompetenz, stets kreativ, aber nicht abgehoben. Im Gegenteil, das Motto „Form folgt Vision. Vision folgt Wirklichkeit“ hat immer oberste Priorität, wenn es um außerirdische Wohnprojekte geht. Was utopisch klingt, wird im Moment gerade real.
Die Planung der nächsten Internationalen Raumstation Lunar Gateway steht auf der Agenda der österreichischen Designschmiede. Der Nachfolger der ISS soll um den Mond kreisen und vier Astronauten ein bequemes Zuhause bieten. Genau diese fünf Meter lange und 3,5 Meter Durchmesser große WG mit spektakulärer Aussicht gilt es nun durchdacht zu gestalten. Und dafür sind die Ideen von Barbara Imhof, Waltraut Hoheneder und René Waclavicek gefragt. Eine große Auszeichnung der internationalen Weltraumfahrt-Community, auf die Expertise der kreativen Wiener zu vertrauen. Nun gilt es, dieses Vertrauen in einen konkreten Auftrag zu verwandeln. Schließlich soll Lunar Gateway schon 2025 auf Mission gehen. Eine Vision, die dank des Engagements und der interdisziplinären Erfahrung der Space-Experten durchaus realistisch ist.
“Schwerelos in Ordnung” – Credo der Wiener Weltraumarchitekten
Seit über 15 Jahren beweist die LIQUIFER ‑Systems Group, wie Architektur in den unendlichen Weiten des Weltraums funktionieren kann. Stets mit Bodenhaftung. Während sie vor Jahren noch gern für „hübsche Visualisierungen“ intergalaktischer Projekte angefragt wurden, wenden sich jetzt renommierte Space-Unternehmen wie Airbus an die Wiener. Ihr Wissen ist im Austausch mit Weltraumingenieuren äußerst gefragt. Denn Design in der Schwerelosigkeit birgt so manche Besonderheit, die es zu bedenken gilt, wie die drei Weltraumexperten im Gespräch erklären. Geplant wird in Kubikmeter, funktionale Materialien und Ressourcenschonung sind ein Muss, ebenso wie Privatsphäre.
Fly me to the moon
Was es konkret alles zu berücksichtigen gibt, verrät schon besagter Weltraumschlafsack an der Wand. Nur eines der alltäglichen Utensilien, die das LIQUIFER Team in seine Pläne integriert. Barbara Imhof, studierte Architektin und Absolventin der International Space University in Strasbourg, liebt die Herausforderung und hat das Potenzial der Weltraumarchitektur früh erkannt. Geprägt von Wolf D. Prix, der während ihres gemeinsamen Studiums mit Waltraut Hoheneder an der Universität für angewandte Kunst in Wien ihr Interesse an Utopie weckte. Denn auch wenn die Gestaltung des Weltraums auf den ersten Blick unrealistisch wirkt, so ist sie mittlerweile ein konkreter Teil unserer Realität geworden. „Ein Space Shuttle kann binnen zehn Minuten den Raum der Schwerkraft überwinden. Und die ISS ist nur rund 350 Kilometer von der Erde entfernt – das ist eine Zugstrecke von Wien nach Salzburg“, erklärt Imhof und bringt ihren markanten Zopf in Form. Wie nah Mond und Erde rücken, beweist auch das neue Mondlandeprogramm „Artemis“ der NASA. Schon 2024 soll die erste Besatzung neue Spuren auf der Mondoberfläche hinterlassen. Und hier kommt wieder das Lunar Gateway ins Spiel. Diese fliegende Raumstation ist als Tor zu Mars und Mond geplant. Als Zwischenstopp für Landungen auf dem Mond, Vorbereitungszone für die sechsmonatige Reise zum Mars und wissenschaftliche Plattform.
„Design für den Weltraum bringt einen völlig neuen Blickwinkel auf das Thema Architektur.“ – Space Design made in Austria
„Das Gateway wird dabei helfen, den richtigen Umgang mit Risiken für den menschlichen Körper im interplanetaren Raum zu erlernen. Außerdem bietet es die perfekte Möglichkeit, den Umgang mit Ressourcen zu optimieren. Im All herrschen extreme Bedingungen, Luft und Wasser sind knapp. Die einzige Energiequelle ist die Sonne. Das alles sind Zugänge, die man auch für Projekte auf der Erde nutzen kann“, erklärt Waltraut Hoheneder, die als Tochter eines Naturwissenschaftlers bereits früh von der Idee des „Nullenergiehauses“ fasziniert war. Dieses Prinzip innovativer Kreislaufsysteme jetzt im All umzusetzen, erfüllt der Designerin mit den auffällig roten Haaren und dem offenen Lächeln somit einen Kindheitstraum. Ebenso geht es René Waclavicek, der eigentlich Astronaut werden wollte, bevor er Architektur an der TU Wien studierte. „Als ich Barbara Imhof als Vortragende bei einem Workshop zum Thema Mondbasen kennenlernte, erwachte mein alter Traum vom Weltraum wieder. Umso glücklicher bin ich, dass ich jetzt für die Schwerelosigkeit planen kann.“ Mit all ihren Herausforderungen und Möglichkeiten. „Design für den Weltraum bringt einen völlig neuen Blick auf das Thema Architektur. Man braucht keine herkömmlichen Möbel wie Tisch, Bett oder Sessel. Es gibt kein Oben und kein Unten. Keinen Boden, keine Decke. Alle Oberflächen können gleichwertig genutzt werden“, ergänzt Imhof. Umso wichtiger ist auch der direkte Austausch mit Astronauten, um die Bedürfnisse der Crew bei der Planung konkret zu berücksichtigen.
Außerirdischer All-Tag
Auf 48 Kubikmetern – so die Maßeinheit im Weltraum – gilt es beim Lunar Gateway vieles unterzubringen. Die Anforderungen lesen sich wie folgt: private Rückzugsmöglichkeiten sowie Bereiche zum Kochen und Essen, ein kleiner Sportbereich, eine Steuerungskonsole und Raum für wissenschaftliche Experimente. Eine Hygieneeinheit und genügend Stauraum für Vorräte und Ersatzteile sind ebenso vorgesehen. Nicht zu vergessen die Lebenserhaltungssysteme. Gestalterisch und planerisch durchaus eine Herausforderung. Eine faltbare Kajüte in der Größe einer Telefonzelle bietet etwa Platz für besagten Weltraumschlafsack, der mit Klettverschlüssen an der Wand fixiert wird. Wie alle losen Gegenstände – Fotos, Teller, Werkzeug und vieles mehr würden sonst allein durch einen Atemstoß frei durch den Raum schweben. Und auch das Thema Farbe und Licht bekommt immer größere Bedeutung. „Künstliche Beleuchtung ermöglicht einen Tag-Nacht-Zyklus. Außerdem sind die Kajüten farblich für die Astronauten anpassbar. Ein Aufenthalt im All ist extrem arbeitsintensiv und fordernd, umso wichtiger ist es, auch Räume zur Entspannung zu schaffen. Dabei spielt jeder Zentimeter eine Rolle“, erläutert René Waclavicek mit ruhiger Stimme.
“Wir testen die von uns geplanten Räume bei Simulationsexpeditionen – wenn es sein muss auch in voller Astronautenmontur.” – Architektur mit vollem Einsatz
Bewohnbarer Platz ist definitiv Luxus hoch oben über der Erde. Umso erstaunter war das LIQUIFER-Team, als es das erste Mal live in einem selbst geplanten Habitat stand. „Wir waren alle überrascht, dass es sich viel größer angefühlt hat als vorab in den Virtual-Reality-Tests.“ Waltraut Hoheneder lacht und erzählt vom Projekt SHEE, das die Machbarkeit dieses Wohnmoduls unter extremen Bedingungen, wie etwa am Mars, zum Thema hatte. Bei diesen Simulationsexpeditionen sind die Architekten auch vor Ort und testen die von ihnen geplanten Räume – wenn es sein muss auch in voller Astronautenmontur. Sie tauschen sich direkt mit den Tauchern aus, wenn unter Wasser die unterschiedlichen Schwerkräfte simuliert werden. So passiert beim Projekt Moonwalk. Während etwa am Mond ein Sechstel unserer Schwerkraft herrscht, kann man am Mars mit einem Drittel unserer Gravitation rechnen. Und das hat wiederum ganz konkrete Auswirkungen auf den geplanten Kopfraum in einer Raumstation. Schließlich macht es einen Unterschied, ob die Astronauten einen halben oder einen Meter hoch springen können. Ein Detail, das veranschaulicht, wie komplex die Arbeit eines Weltraumarchitekten ist. Für Barbara Imhof sind somit zuhören, einfühlen und erleben wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den interdisziplinären und internationalen Teams – Akrobatik-Flug, um Schwerelosigkeit selbst zu erleben, inklusive.
Utopien im Reality Check
In utopischen Dimensionen zu denken ist gelebter Alltag des LIQUIFER-Teams. Als Partner im Rahmen von EU-Forschungsprojekten zeigen sie, dass das scheinbar Unmögliche machbar ist. So wachsen beim Projekt EDEN ISS in einem abgeschirmten 12 Quadratmeter großen Gewächshaus in der Antarktis frisches Obst und Gemüse. Rund 270 Kilogramm konnten dank spezieller Anbaumethoden in einer Saison geerntet werden – unter nahezu außerirdischen Bedingungen. Eine mögliche Revolution für das zukünftige Leben im All. Neben der Ernährung ist Strahlenschutz ein großes Thema im Weltraum. Hier wurde beim Projekt LavaHive für ein Habitat eine Schildstruktur aus Marssand und recycelten Transportmodulen erbaut, um Kosten zu sparen. Und auch in Sachen mobiler 3‑D-Druck wird geforscht.
Beim Projekt RegoLight etwa konnte gezeigt werden, dass nur mithilfe der Sonne aus Mondsand ein schützendes Material entsteht, aus dem vor Ort Bauelemente gedruckt werden können. In diesem Sinne werden die Grenzen der terrestrischen Architektur immer weiter getrieben. Und gleichzeitig wichtige Erkenntnisse für die ressourcenschonende Bauweise auf der Erde gewonnen. An Inspirationsquellen fehlt es den drei Weltraumarchitekten nicht. Die Natur dient als innovatives Vorbild, ebenso wie Science-Fiction-Filme. Von Stanley Kubricks „A Space Odyssey“ bis zu „Arrival“ reicht das Repertoire. Barbara Imhofs Vision eines solarbetriebenen Weltraumaufzugs in den unendlichen Raum erscheint vor diesem Hintergrund wunderbar realistisch.
Zu den Personen
Die LIQUIFER Systems Group ist ein interdisziplinäres Team aus Architekten und Ingenieuren mit Kompetenzen in Weltraumforschung und ‑architektur. 2003 von Dr. Barbara Imhof gegründet, wird es seit 2005 mit Waltraut Hoheneder und seit 2019 mit René Waclavicek als weitere Geschäftsführer geführt. www.liquifer.com
Musikalisches Erlebnis
22. Dezember 2020
Blick in die Zukunft
Der Fortschritt klopft an, und wir machen nicht auf? Oona Horx-Strathern, CEO des Zukunftsinstituts Horx, analysiert, wie Corona das Leben verändert und warum Gemeinsinn manchmal smarter ist als Künstliche Intelligenz.
Corona hat dafür gesorgt, dass das Zuhause wieder einen wichtigeren Stellenwert in unserem Leben hat. Hält sich diese Aufwertung der eigenen vier Wände auch in Zukunft?
Unser Zuhause ist manchmal wie eine Tante, die man eigentlich immer schon anrufen wollte, aber man lässt es doch sein, weil man weiß, dass sie kompliziert ist und jammern wird. Wenn man abends von der Arbeit nach Hause kam und die Wände, den Teppich, die Möbel registrierte, dachte man: Eigentlich müsste ich mal etwas verändern. Aber man ließ es, weil es zu anstrengend erschien. Das änderte die Krise radikal. Nachdem die Menschen fast nur noch zu Hause waren, begannen sie sich auf eine neue Weise mit ihrer häuslichen Umgebung auseinanderzusetzen – und zu identifizieren. Es hat sich etwas verändert in der Beziehung zu unseren Wohnungen und Häusern. Wir nehmen unsere häusliche Umgebung anders wahr. Wir wohnen bewusster – und das wird noch eine Weile halten, vielleicht sogar für immer.
Die Technik ist ein ganz entscheidender Faktor in dieser Hinsicht. Sie ermöglicht es uns, auch für längere Zeit das Haus nicht verlassen zu müssen. Wohin wird dieser Trend noch führen?
Wir werden in Zukunft vielleicht mehr zu Hause arbeiten und dafür die Technik aufrüsten, beispielsweise eine Zoom-Ecke aufbauen. Aber abgesehen davon haben wir gemerkt, dass es weniger das „Smart Home“ war, das uns gefehlt hat, sondern eher der soziale Kontakt. Technik ist nur ein Tool. Wichtiger ist die soziale Technik, und die Krise hat uns gezwungen, unsere soziale Umgebung neu zu definieren, zu überdenken und zu bewerten. Balkone und „Shared Spaces“, in denen wir bestimmte Dienstleistungen auch im Lockdown in Anspruch nehmen konnten, waren wichtiger als eine App, die uns abends automatisch die Vorhänge zumacht.
07. Juli 2023
Future Connection
Smarte Ideen brauchen schnelle Verbindungen – warum kein Weg an Breitband vorbeiführt, wenn es um moderne Infrastruktur sowie innovatives Leben und Arbeiten geht.
Vom Herd bis zum Kühlschrank, von der Straßenbeleuchtung bis zum Autobus – heutzutage kann so gut wie jedes Gerät mit dem Internet verbunden werden. Und die Hersteller erfüllen diese Wünsche auch. Denn eines ist fix: Die Menschen wünschen sich diesen öffentlichen Raum, diese Freiheit und natürlich auch Gemütlichkeit. Dinge, die im Netz hängen, sind von jedem Ort der Welt steuerbar oder steuern sich sogar selbst. Dinge, die im Netz hängen, haben das Potenzial, mehr Energie einzusparen und die Umwelt zu entlasten, sie verbinden sich untereinander und erleichtern uns das Leben. Einziger Haken: Diese Technik braucht Daten – und zwar sehr viele davon. Man schätzt das weltweite Datenvolumen auf rund 50 Billionen Gigabyte pro Jahr. Würde man diese Datenmenge auf DVDs speichern wollen, so wäre der Berg, den die Digitalscheiben verursachen würden, rund 2,6 Millionen Kilometer hoch. Die Zahl der Internetuser ist ebenfalls stetig im Wachsen begriffen und wird aktuell auf rund 5,3 Milliarden geschätzt. Das ist eine ganze Menge und bringt uns zum zweiten Problem: der Verbindungsgeschwindigkeit. Längst stößt das Netz in Spitzenzeiten an seine Grenzen. Es verwundert also nicht weiter, dass nach einer nachhaltigen Lösung gesucht und diese auch bereits gefunden wurde. Das Zauberwort heißt Breitband — mittels 5G oder Glasfaser. Doch was versteckt sich eigentlich hinter diesem Begriff?
02. Dezember 2021
Bild-Größe
Klaus Ortner, Industrieller von Welt, hat sich soeben den Traum eines eigenen Museums verwirklicht. Signature durfte an diesem Glücksmoment teilhaben.
Den Schlüssel muss er in der Finsternis erst suchen. Und das mit der Alarmanlage muss auch erst geübt werden. Aber dann findet Klaus Ortner doch die richtigen Schalter, und das Licht geht an: Es eröffnet sich eine atemberaubende Welt voll erlesener Kunstwerke – vor allem aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Große Namen, aber auch beste Ware weniger bekannter oder in Vergessenheit geratener Künstler. Auf jeden Fall höchste Qualität, wohin man blickt – professionell kuratiert und präsentiert in überaus ansprechender Behausung, geplant von Architekt Neiger und dem Kremser Architekten Franz Gschwantner. Die Sammlung Klaus Ortner in Wien-Rodaun ist ein zurückhaltendes Gebäude, das der Kunst dient und seine wahre Größe erst von innen zeigt: Sechs Geschoße tun sich auf, die geschickt miteinander verschränkt sind und beeindruckende Durchblicke erlauben. Hier nehmen wir Platz und erfahren vom Hausherrn, wie man mit Kunst so lebt.
Style & Trend — März 2024
Grüne Power
Luxusmarken auf der Überholspur mit E‑Motoren.
Style & Trend — April 2021
Retro-Design trifft auf Hightech
Mit der Rado Captain Cook zeigt der “Master of Materials” sein Können.
More About — September 2022
Duft & Design
Schauspieler und Bridgerton-Star Regé-Jean Page im Gespräch!