Abseits der großen Bühne des Messegeländes hat der Fuorisalone in Mailand wieder einmal demonstriert, wie Design auch sein kann: jung, experimentell, poetisch – und zum Anfassen. Ein Streifzug durch Porta Venezia, Isola und LABÒ.
Mailand zur Design Week – das ist nicht nur Masse, sondern vor allem Vibe. Wer sich vom Trubel des Messegeländes lösen möchte, findet in den Design-Districts der Stadt unzählige Gassen, Höfe, Studios und Palazzi voller Überraschungen, Mut und künstlerischem Freigeist. Kein Wunder, dass mich auch in diesem Jahr der Fuorisalone wieder in seinen Bann gezogen hat. Zu entdecken gab es viele neue Stimmen und Gesichter, ungewohnte Settings und eine Atmosphäre, die zwischen urbaner Patina und kreativer Leichtigkeit schwebt. Mailand eben.
Erster Stopp: der Porta Venezia Design District
Ein elegantes Viertel mit Gründerzeitbauten, klassizistischen Fassaden und multikulturellem Herz. Hier trifft Wiener Jugendstil auf Mailänder Coolness. Inmitten dieser Kulisse versteckt sich dazu passend hinter einem Erotik-Store die Ausstellung “Vienna Vibes” der Galerie Zippenfenig – eine kuratorische Punktlandung zwischen Ironie und Ernst. Die Location selbst: surreal. Die Objekte: überraschend. Besonders hängengeblieben sind die vielschichtigen Arbeiten von Marie-Theres Genser (mariedares), die mit „Falling Cubes“ das Thema Raum und Körper neu denkt, sowie das skulpturale Sitzobjekt “OFFCUT – 10 DAYS” von Julian Paula. Auch das filigrane Objekt Aglaea von Studio Sphaer spielt elegant mit Gegensätzen. Was bleibt, ist der Eindruck: Hier passiert etwas – frei, mutig, eigenwillig.
Weiter durch die Gassen – und plötzlich zieht mich ein Ort ganz intuitiv an: der Studioshop von Mark Giusti. Der Designer fertigt in aufwendiger Handarbeit Accessoires aus Leder, inspiriert von historischen Mosaiken. Was hier beeindruckt, ist nicht nur die Formensprache, sondern die Haltung: Nachhaltigkeit ist hier keine Attitüde, sondern gelebte Praxis. Und das Interieur? Ein Gesamtkunstwerk – entworfen vom Maestro himself.
Auf nach Isola.
Der gleichnamige Design District liegt nördlich der Porta Garibaldi – urban, kreativ, ein bisschen rough, ein bisschen Berlin, aber eben auch sehr Mailand. Schon 2024 war ich Fan, 2025 erneut begeistert. Die Leuchten von Jack Brandsma sind Experiment pur: „Funky Funghi“ heißt die neue Lampe aus Myzel, hergestellt mit einem eigens patentierten Verfahren von Mycotex. Ebenfalls eindrucksvoll: die Ausstellung „Cross Pollination“der Hochschule Pforzheim. Vor allem die Glasobjekte aus dem Schmuck-Studiengang – fragil, leicht, voller Ausdruck – blieben haften.
Und dann – fast wie eine kleine Flucht aus der Stadt – der Weg hinaus nach LABÒ im ehemaligen Industrieareal der Fondazione Rodolfo Ferrari. Zwischen Hallen, Gärten und Backsteinfassaden entfaltet sich ein Kontrastprogramm zum Designtrubel. Hier darf es leise sein, poetisch, experimentell. DECHEM zeigt mit der Kollektion „From Sand“, wie Glas als Material neu gedacht werden kann – roh, transparent, in Schichten erzählt. Two Hundred Tons, ein junges tschechisches Label, beeindruckt mit der Kollektion UNROLL – Möbelstücke aus Stahl, so fein gearbeitet, dass sie wie Skulpturen wirken. Und Andrée Bracq erzählt mit ihrer Installation La Trame von der Verbindung aus Textil, Architektur und Emotion.
Zum Ausklang dann: Sonnenuntergang, DJ-Set und Aperitivo auf der Dachterrasse bei mmcité. Die neue Bankkollektion Linfa, entworfen mit AG&P greenscape und Cattaneo design, steht hier nicht nur rum, sondern wird zur Bühne für Begegnung, Gespräch, Design im echten Leben. Zwischen Zitronenbäumchen und grünen Palmen sitzt es sich bei angeregten Gesprächen so gut, dass man – wie so oft in Mailand – gerne noch ein Weilchen bleiben würde …
Fazit:
Auch 2025 war die Design Week in Mailand wieder eine Einladung zum Entdecken – nicht laut, sondern tief. Mit zu wenig Zeit, aber genau genug, um sich zu erinnern: an berührende Objekte, neue Perspektiven und Begegnungen, die nachhallen.
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