Der uralte Werkstoff Keramik hat sich einen festen Platz in der Lifestyle-Welt erobert. Einen besonderen Stellenwert genießt er bei der Herstellung von Hightech-Uhren.
Keramik hat eine erstaunliche Karriere hingelegt. Sie ist ebenso lang wie faszinierend. Gehören Keramiken doch zu den ältesten vom Menschen bewusst für eigene Zwecke modifizierten Materialien, wie etwa Thomas Graule, Abteilungsleiter Hochleistungskeramik bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), festhält: „Sie kamen schon zum Einsatz, weit bevor die Menschheit zum Beispiel gelernt hatte, Metalle zu gewinnen.“
Dass diese Karriere noch lang nicht zu Ende ist, das beweisen die letzten Jahrzehnte, in denen die technische Bedeutung des Werkstoffs längst weit über sein herkömmliches Einsatzgebiet wie Ziegel, Geschirr oder Skulpturen hinausgewachsen ist. Nach und nach hat sich die Keramik neue Domänen erobert, sei es im Maschinenbau, der Automobiltechnik oder in der Luft- und Raumfahrt. Man denke nur an die Keramikkacheln des Space Shuttle, die als Hitzeschild dienen, oder an die Bremsscheiben aus Keramikverbundstoffen, die so manchen Luxussportwagen binnen wenigen Sekunden zum Stillstand bringen und dabei massiven Strapazen standhalten müssen.
Apple wiederum setzt beim Display des iPhone auf eine Produktinnovation namens „Ceramic Shield“. Es handelt sich um eine neue Technologie, bei der – vereinfacht gesagt – nanokeramische Kristalle in die Glasmatrix eingebettet sind, was das Display besonders robust macht. Brüche und Kratzer sollen damit der Vergangenheit angehören.
Perfekt fürs Stil-Timing
Spätestens seit Mitte der 1980er-Jahre fand die Keramik ihren Weg auch ans Handgelenk und eroberte eine weitere lifestylige Domäne: als beliebtes Material im Uhrenbau. Dort hatte man ihre Vorzüge rasch erkannt: Keramik ist leicht, hypoallergen, kratz- und verschleißfest. UV-Strahlung macht ihr keinerlei Probleme, Feuchtigkeit – seit jeher Todfeind jedes Uhrwerks – ist ebenfalls kein Thema, Form und Glanz bleiben mindestens für Jahrzehnte erhalten. Kurz: ein Material, das wertvollen Tickern quasi „unvergängliche Schönheit“ bescheren konnte. Perfekt also für den Bau hochwertiger Zeitmesser. Wegweisend war in diesem Fall die Forschungsarbeit des deutschen Chemikers Martin Klaproth. Er entdeckte 1789 das Element Zirkonium, das beim Brennvorgang zu Zirkoniumoxid wird, einer „Oxidkeramik“. Wir finden es heute auch in Brennstoffzellenmembranen oder Gelenkimplantaten. 1986 brachte die Uhrenmarke IWC Schaffhausen eine „Da Vinci“ mit ewigem Kalender und farbigem Keramikgehäuse auf den Markt, Seiko präsentierte eine Taucheruhr mit einem Keramikgehäuse über dem eigentlichen Metallgehäuse. Im selben Jahr stellte Rado die „Integral“ vor, eine Uhr mit einem Keramikarmband, aber noch mit einem Edelstahlgehäuse.
IWC mag vorgeprescht sein, Rado kam es allerdings zu, die Keramikuhr in den Mainstream zu bringen. Denn 1989 präsentierte man die – nomen est omen – „Ceramica“. Ein Zeitmesser, dessen Gehäuse und Armband komplett aus Keramik bestanden. Sie war schwarz, glänzend, geometrisch und sah aus, als käme sie direkt aus der Zukunft. Rado legte damit den Grundstein für seinen Ruf als Keramikspezialist. 2017 hat Rado die „Ceramica“ neu aufgelegt, allerdings mit einigen grundlegenden Aktualisierungen durch den weltbekannten Industriedesigner Konstantin Grcic.
Rado ging in Sachen Keramikuhren weiter als jeder andere Uhrenhersteller. Die „Ceramica“ war nur der Anfang. Im Jahr 1991 folgte die „Coupole“ aus weißer Keramik, 1998 die erste „Ceramica“ aus der sogenannten Plasmakeramik, 2011 die „D‑Star“ in Ceramos, einem Stoff aus Keramik und Metall, und in den letzten Jahren eine Reihe von farbigen Keramikuhren in Blau‑, Grün- und Brauntönen.
Unterstützung erhält die 1917 gegründete Marke, die seit 1983 zur Swatch Group gehört, von einer weiteren Tochter des Konzerns: Comadur in Le Locle, wo die Keramikkomponenten gefertigt werden. Comadur erzeugt und verarbeitet auch Rubine, Saphire und Seltene-Erden-Magnete. Wie im vorigen Absatz bereits kurz angerissen, hat man sich von der „normalen“ Keramik der 1980er immer weiter entfernt. Mittlerweile ist Rado über die Station „Hightech-Keramik“ bei der „Plasma-Hightech-Keramik“ angelangt.
Hightech backen
Aber der Reihe nach: Die Grundlage für Zeitmesser aus Hightech-Keramik ist ultrafeines Zirkonoxidpulver, das anschließend mit Pigmenten vermischt und unter Hochdruck in eine Gussform gespritzt wird. „Gebacken“ werden die Keramikkomponenten in einem Ofen bei 1.450 Grad Celsius. Dabei verschmelzen Zirkonoxid und Farbpigmente miteinander. Bei diesen hohen Temperaturen schrumpfen die Komponenten und erreichen so ihre endgültige Dichte und Farbgebung.
Aber damit noch nicht genug: Beim abschließenden Veredelungsverfahren, das mehrere Tage in Anspruch nehmen kann, können sowohl hochglänzende als auch matte Oberflächen erzielt werden. Das Endprodukt verfügt nicht nur über hypoallergene Eigenschaften, sondern ist um 500 Prozent härter und dabei um 25 Prozent leichter als Edelstahl.
Vielen mag das schon wie moderne Alchemie dünken. Endgültig ins Staunen kommt man aber, wenn man einen genaueren Blick auf die „Plasma-Hightech-Keramik“ wirft. Bei diesem Verfahren wird komplett auf Pigmente verzichtet: Weiße Keramikkomponenten werden in einem speziellen Reaktor einer Plasmasäule bei Temperaturen bis zu 20.000 Grad Celsius „aktivierten Gasen“ ausgesetzt. Die Keramik nimmt dadurch einen warmen, grau-metallischen Schimmer an. Und das, wohlgemerkt, ohne dass ein Metall zum Einsatz kommt. Struktur und Eigenschaften der Keramik bleiben erhalten. Somit zeichnet sich plasmabehandelte Keramik durch die gleiche Härte, Kratzfestigkeit, Hautverträglichkeit und ein ebenso leichtes Gewicht aus wie Hightech-Keramik. Mittlerweile ist es Rado gelungen, diesen eher monochromen „Plasma“-Uhren auch Farbe zu verleihen.
Wer sich einen Zeitmesser dieser Machart zulegt, etwa die retro-angehauchte „Captain Cook High Tech Ceramic“, bekommt ein Produkt, das strapazierfähig und unempfindlich gegenüber beinahe allen Elementen, kurz: langlebig ist. Darüber hinaus liegt die Uhr geschmeidig am Handgelenk.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Hersteller die Vorzüge des Werkstoffs erkannten. Beinahe alle großen Marken haben mittlerweile Uhren entweder komplett aus Keramik oder zumindest mit Keramikkomponenten im Portfolio. Von Modemarken wie Chanel (siehe „J12“) über IWC (Uhren aus „Ceratanium“, einer Mischung aus Titan und Keramik, seien hier erwähnt), Rolex (siehe die Keramiklünette der GMT Master II) bis zu Hublot: Deren „Big Bang Unico Red Magic“ war die erste Keramikuhr der Welt, deren Gehäuse komplett aus leuchtend roter Keramik bestand. Nicht zuletzt kommt die Vorarbeit von Rado auch anderen Brands des Mutterkonzerns zugute. Zu nennen wäre zum Beispiel die Speedmaster „Dark Side of the Moon“ von Omega, bei der sogar das Zifferblatt aus Keramik gefertigt wurde.
Keramik-Alltag
Hightech-Keramik verschönert in vielen Bereichen unseren Alltag. Nicht verwunderlich, dass etwa auch das Museum Brandhorst in München bei seiner Fassade auf diesen innovativen Werkstoff vertraut. Auch im Interieur-Bereich kommt Hightech-Keramik vermehrt zum Einsatz, wie etwa die Designschmiede Vidrostone eindrucksvoll beweist: Hier werden ganze Innenräume und sogar Fassaden aus dem vielseitigen Werkstoff gezaubert. Und auch Laufen setzt immer öfter auf den innovativen Werkstoff. Den Ideen und Formen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein.
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