Das ökonomische Powerhouse Valencia ist heuer World Design Capital 2022. Das hat mit cooler Architektur und einer lebendigen Designerszene zu tun. Aber vielleicht noch mehr mit mutiger Stadtplanung, reichhaltigen Traditionen – und wie mit diesem Erbe umgegangen wird.
Für die einen ist es die Geschichte vom verlorenen Sohn: Stararchitekt Santiago Calatrava baute überall – und in seiner Heimatstadt erst nach langem Anlauf. Aber weil Valencia ja auch eine Stadt der Kaufleute ist, sind auch die Sparfüchse nie weit. „Zu teuer“, hieß es dann über den Gebäudekomplex Ciutat de les Arts i les Ciències, was sich wie Kunst- und Wissenschaftsstadt übersetzen lässt, oder viel kürzer: CAC. Spaziert man die grüne Arterie des neun Kilometer langen Turia-Parks entlang, der sich wie eine tiefergelegte grüne Rille quer durch Valencia furcht, so läuft man direkt auf die CAC zu. Elefantenhautgraue Wölbungen aus weichem Beton tauchen dann auf. Unter eleganten Bögen gedeihen Palmen. Segway-Grüppchen rollen mit Audio-Guides an Ruderern in Plexiglasbooten vorbei und halten spätestens vorm futuristischen Opernhaus an, das viele an ein Insekt erinnert. Es ist eines von fünf Meisterwerken, die sich Calatrava für seine Heimstadt ausgedacht hat. Der mediterrane Wirtschaftsmotor Valencia schlug damals ein neues Kapitel auf, und es fiel auf fruchtbaren Boden. Daran erinnert soeben die Ernennung zum World Design Capital 2022. Eine große Fiesta versteht sich dabei von selbst. Aber wichtiger ist der gemeinsame Nenner. Design dient hier vor allem einem Ziel. Es lautet: Belebung des öffentlichen Raums, und zwar so nachhaltig wie möglich.
Patchwork City
Wer sich zwischen türkisgrünen Wasserbecken und geometrischen CAC-Schatten durch die Hitze schleppt, dem stehen gleich mehrere Exitstrategien zur Verfügung. Abtauchen in die Dunkelheit im spektakulären Haus des Meeres L’Oceanogràfic? Lieber zurück ins kühle Labyrinth der mittelalterlichen Gassen des Barrio del Carmen? Oder doch weiter zur Promenade Paseo de Neptuno mit ihrem urbanen Mix aus Lastkränen, Luxusyachten und Beach Clubs? Zwischen Niederlassungen handverlesener Firmen wie Amadeus, Facebook oder IBM sticht in der Marina de València David Chipperfields America’s‑Cup-Gebäude Veles e Vents hervor. Und auch das Gebäudeinnere hält eine Überraschung bereit. Jordi Iranzo und Àngela Montagud, die beiden Gründer des Valenzianer Clap Studio, haben den minimalistischen Bau des britischen Architekten um eine hyper-funktionale Ausstattung erweitert: „The Sea“. Drahtgittermodule erlauben einfache Arrangements für vielfältige Aktivitäten im Rahmen der World Design Capital. Mit wenigen Handgriffen lassen sie sich in dreidimensionale Strukturen verwandeln, steigen wie Ebbe und Flut – und sind stets bereit für den demokratischen Wandel des Augenblicks. Das passt ganz gut zum spielerischen Fokus des Designerduos. Ähnlich hintergründig ist die Art und Weise, wie Clap Studio ihre Expertise schulen: nämlich über das intensive Beobachten der zeitlich wie räumlich optimierten Abläufe in der kreativen Spitzengastronomie.
Jordi Iranzo und Àngela Montagud, die beiden Gründer des Valenzianer Clap Studio, glänzen mit hyper-funktionalem Design.
Buntes Geflecht
Designer, die von Köchen lernen? Stabile Leichtigkeit von Drahtkörben für veränderbare Räume? Valencia ist ein Geflecht aus Business, Bauerbe und umliegender Natur und vereint Widersprüchliches auf überschaubarem Raum: Wer mit dem City Bus der Linie 25 zum Natur-Beach Platja del Saler hinüber rollt, kann dort das Feuchtbiotop La Albufera entdecken. Ganz anders verlaufen die Wellen am 1928 eingeweihten Mercado Central, wo die sinnlichen Schmiedeeisenrippen der lokalen Jugendstilarchitektur wuchern. Zur Horchateria de Santa Catalina neben dem Kirchturm Miguelete sind es dann nur wenige Schritte. Hier werden der traditionelle Erdmandel-Drink Horchata und das süße Hefegebäck Fartons so serviert, wie Valencianos sie seit Jahrhunderten schätzen – denn auch Tradition steht hoch im Kurs.
Echo alter Erfolge
Aber das Beste an allem: Valencia erfindet sich zugleich immer wieder neu, seit jeher. Designer wie Ramon Esteve oder JM Ferrero feiern auf Basis dieser Philosophie internationale Erfolge. Daran erinnern ferner lokale Modegrößen wie Alex Vidal, Francis Montesinos oder Antonia Benlloch, die Valencia längst zur spannenden Modestadt machen, mit der sommerlichen Ruzafa Fashion Week im gleichnamigen Trendviertel Ruzafa – einem 1877 eingemeindeten Dorf. Was man an Ruzafas Metamorphose auch noch lernen kann: Valencia hat so seine Phasen. Manchmal ging es steil aufwärts, und die Handelsmetropole boomte. Dann erlebte die Stadt wiederum lange Durchhänger. Wie Jahresringe lassen sich diese Phasen der Prosperität nun im alten Stadtkörper ablesen.
Da gibt es den Seidenspeck des 15. Jahrhunderts, als der Handel mit dem feinen Textil massig Geld in die Stadtkassen spülte. Vor hundert Jahren war es der Orangenanbau, der Valencia Reichtum bescherte, Modernisme-Juwele wie der Mercado de Colòn entstanden. Die mit Azulejo-Fliesen ausgestattete Estación del Norte, eine Kathedrale der Schienen-Ära, bespielt Valencias Erfolgsrezept auf ganz andere Weise und rückt mit Mosaiken von Reisbauern und Garnelenfischern die berühmte Paella-Tradition in den Fokus. Eines weiß hier jedes Kind: dass Wirtschaft und Innovation zu Valencia dazugehören, so wie der Safran zum lokalen Arroz Bomba.
In L’Àgora wetteifern Kunst und Sport ums Publikum.
Dörfer in der Stadt
Zentrum der spanischen Möbelindustrie, Heimat der weltberühmten Keramikmarke Lladro – Valencias Erfolg basiert auf internationalen Netzwerken. Die beiden Keramikkünstler Raquel Vidal und Pedro Paz haben ihr Atelier in einer ehemaligen Autowaschanlage im quirligen Barrio Ruzafa bezogen – denn auch das ist typisch für die Art und Weise, wie in Valencia aufmerksame Kreative handwerkliches Erbe und neue Kreationen verweben. Dann werden die für Valencia typischen Zementfliesen kurzerhand in Umbauten integriert – etwa beim neuen Kulturinstitut des Stadtviertels Cabanyal in der Nähe des Seehafens, gegen dessen radikale Neugestaltung sich Anrainer erfolgreich zur Wehr setzten. Genau solche Projekte machen Valencia so lebenswert: Zügig ausgebaute Radwege, revitalisierte Parks und wiederbelebte Märkte schlagen in eine Kerbe eines Masterplans, der Design keineswegs als Anhäufung selbstverliebter Prestigeprojekte definiert, sondern als Verbesserung der Lebensqualität. Digitale Serviceangebote der Verwaltung, Barrierefreiheit und ein Zurückschrauben des Autoverkehrs – bis 2025 will Valencia im Tourismus und bis 2030 komplett CO2-neutral werden – sind konkrete Eckpfeiler.
Kann man nur in höchsten Tönen loben: Calatravas Palau de les Arts Reina Sofía, Valencias Opern- und Kulturhaus (im Bild rechts)
Valencia Pur
Valencia Tourist Card
24, 48 oder 72 Stunden ab 13,50 Euro visitvalencia.com
WDC-Highlights
Rund 300 Konferenzen, Events, ‑Kongresse, Webinars, Ausstellungen
Experten Talk
Das spannende Interview mit Corinna Heilman, Programmdirektorin Word Design Capital 2022, lesen Sie hier!

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