Knapp vor der Eröffnung des „Grand Egyptian Museum“: Im Talk gibt Ausstellungsdesignerin Shirin Frangoul-Brückner Einblicke in dieses Jahrhundertprojekt.
Noch heuer im Herbst soll das größte Archäologische Museum der Welt eröffnen: Das „Grand Egyptian Museum“ mit Blick auf die Pyramiden von Gizeh ist ein Jahrhundertprojekt, das völlig neue Einblicke in eine der reichsten und schillerndsten Kulturen der Menschheitsgeschichte ermöglichen soll. Allein die Präsentation der Grabschätze von Tutanchamun wird auf mehr als 7.000 Quadratmetern ausgebreitet. Für das Ausstellungsdesign wurde das Stuttgarter „Atelier Brückner“ engagiert, das zuletzt auch das Demokratikum, die Ausstellung des Besuchszentrums im renovierten Parlmantsgebäude an der Wiener Ringstraße, gestaltet hat.
Es muss überwältigend sein, wenn man ein Projekt dieser Dimension mitgestalten kann – was alles umfasst Ihre Tätigkeit?
Das gesamte Besuchserlebnis, beginnend bei der großen Piazza vor dem Museum über das Atrium, die Grand Hall, mit dem riesigen Ramses-Monument, bis hin zur Großen Treppe mit 80 monumentalen Statuen aus den verschiedenen Dynastien. Und dann natürlich die gesamte Tutanchamun-Galerie und die Kindergalerie – allein diese beiden Bereiche umfassen mehr als 10.000 Quadratmeter.
Wie sind Sie zu diesem außergewöhnlichen Auftrag gekommen?
Das war geradezu schicksalshaft. Die Anfrage erreichte uns ausgerechnet an einem Tag, an dem wir ein anderes internationales Großprojekt verloren haben, obwohl der Wettbewerb eigentlich gewonnen war. Die Stimmung war im Keller. Und dann eine solch einmalige Einladung! Wir haben sofort ein Team zusammengestellt, Ideen gesammelt, tausende Seiten für die Einreichung ausgefüllt und sind am Ende aus zig Bewerbungen ausgewählt worden.
Wie sind Sie bei der Gestaltung der Räume vorgegangen?
Die Räume, die wir bei der ersten Besichtigung erlebt haben, waren überwältigend, riesig wie Flugzeughangars und zum Teil mit Tageslicht. Das war eine Herausforderung, da manche Objekte, die wir präsentieren sollten, ja nur geringer Lichtbelastung ausgesetzt werden dürfen. Wir haben uns grundsätzlich an der Objektliste orientiert. Es war ein Vorteil, dass wir von Anfang an wussten, was gezeigt werden soll. Die Frage war vor allem, wie wir mehr als 5.000 Objekte präsentieren wollen. Wir haben uns für einen narrativen Ansatz mit Storyline entschieden.
“Wir erwarten immerhin 15 000 Zuschauer täglich.”
Gibt es Objekte, die Sie besonders berührt oder überrascht haben?
Wir haben wahre Ikonen der Kulturgeschichte, allen voran die berühmte goldene Maske. Aber oft sind es auch kleinere Objekte, die viel über das Leben der damaligen Zeit verraten. Verblüfft haben mich auch die Schreine, die in ihren verschiedenen Größen ineinander verschachtelt waren. Jetzt präsentieren wir sie einzeln, hintereinander aufgereiht. Wenn man sieht, wie aufwendig diese Schreine ausgestaltet sind, obwohl sie im Dunkel der Grabkammer verschwinden sollten, ist das schon eine wirklich berührende Sache. Ein weiterer Publikumsmagnet werden sicher die Streitwägen.
Objekte von sehr unterschiedler Größenordnung, zumeist sind es ja sehr zierliche Exponate, die in riesigen Räumen inszeniert werden sollen. Wie entwickelt man da eine Form- aber auch eine Dramaturgie?
Da gab es von Seiten des Auftraggebers recht klare Vorstellungen zu thematischen Einheiten — gerade für die Tutanchamun-Galerie. Es geht darum mittels großer Themenbereiche sowohl die Biografie des jungen Königs zu erzählen als auch einen Eindruck davon zu geben, wie das Alltagleben damals ausgeschaut hat, aber auch wie der Umgang mit dem Tod war, welche Vorstellungen man vom Jenseits hatte. Wir breiten alle Grabbeigaben, die in einer Kammer von etwa 35 Quadratmetern auf- und ineinander gestapelt waren auf über 7000 Quadratmeter aus und inszenieren sie, eingebunden in einen narrativen Parcours. Dazu gehören natürlich auch die spektakulären Streitwägen. Das Ganze muss gut im Museumsbetrieb zu funktionieren, wir erwarten immerhin 15 000 Zuschauer täglich. Den Parcours kann man von zwei Seiten begehen, das Narrativ von vorne und hinten lesen und damit die Besucherströme teilen: Man kann den Weg gehen, den Howard Carter gegangen ist, als er den Schatz entdeckt hat oder den Weg durch das Leben von Tutanchamun.
Wie sollen sich die Besucher zurechtfinden, wie nehmen Sie das Publikum bei der Hand?
Wir haben zwei wesentliche Gestaltungselemente, die wir eingefügt haben: einen kuratorischen Pfad, ein langes dunkles Bodenelement, auf dem alle Exponate gezeigt werden, und ein Deckenelement, das den Lauf der Sonne symbolisiert, das Licht, aber auch den Weg vom Leben zum Tod- oder besser: bis zur Wiedergeburt, zum Leben nach dem Tod. Das Licht spielt eine ganz zentrale Rolle in unserer Inszenierung, zur Orientierung ebenso wie für die gewünschte Atmosphäre.
Apropos Orientierung- inwieweit wird das Ganze auch verortet, wird die Fundstätte sichtbar gemacht?
Die Entdeckung des Schatzes machen wir multimedial erlebbar: Zum einen gibt es ein Modell vom Fundort, dem Tal der Könige, zum anderen zeigen wir anhand einer begehbaren Rauminstallation die Grabkammer in Originalgröße. Original-Fotos vermitteln, was Carter erlebt hat und was er gefühlt haben mag, als er die Treppen zum Grab hinabstieg. Man soll nachempfinden können, welche Sensation dieser Fund war; der hat ja damals einen richtigen Ägypten-Hype ausgelöst.
“Ob der Entwurf funktioniert, weiß man erst, wenn die Menschen ins Museum kommen und in Interaktion treten.”
Und in der Kindergalerie dürfen die Kleinen dann mit dem Streitwagen herumbrausen?
Ja so ungefähr- da geht es natürlich besonders um das direkte Erleben dieser Zeit, um den Mitmach-Effekt. Es wird Objekte zum Angreifen ebenso geben, wie virtuelle Rekonstruktionen. Das Kinder-Museum soll zum Staunen anregen, aber auch Spaß machen.
Wie weit sind Sie in der Fertigstellung, was haben Sie noch vor sich?
Wir sind architektonisch so gut wie fertig, ein paar Medien müssen noch eingebaut werden, dann werden wahrscheinlich noch Lichteffekte optimiert, aber im Grunde können wir bald loslegen. Und dann kommt der spannende Moment: geht die Sache auf? Ist die Inszenierung spannend genug? Werden die Erzählstränge verstanden? Wie viel hat man von dem erreicht, was man sich vorgenommen hat? Das weiß man erst, wenn die Menschen ins Museum kommen und in Interaktion treten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Informationen zum GEM und zum Atelier Brückner finden Sie unter:
atelier-brueckner.com , grandegyptianmuseum.org
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