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Designer Alfredo Häberli über Präzision, Perfektion und neue Pläne. Ein Talk.


Vom Stuhl Interface“, dessen Verwendungsmöglichkeiten ganz von der eigenen Vorstellungskraft abhängen, über das Bücherregal Pattern“, das sowohl horizontal als auch vertikal Stabilität gibt, bis hin zum Einfamilienhaus Haussicht“ im Holzdesign: Man könnte sagen, Alfredo Häberli hat seiner Kreativität bereits in allen Designbereichen freien Lauf gelassen. Im Gespräch erzählt er von seinem Zugang zur Perfektion, Projekten wie dem 25hours Hotel in Zürich und wer ihn in seiner Arbeit inspiriert. 

Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry meinte: Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“ Würden Sie diese Aussage in Bezug auf Design bestätigen?

Ja, kann ich. Noch lieber sehe ich aber mit dem Herzen („Der kleine Prinz“). Ich frage mich dennoch, wie weit Perfektion anzustreben ist? Ich denke, eine gewisse Präzision und Eigenständigkeit empfinde ich als wertvoller als Perfektion. Ich schätze Dinge, die nicht ganz perfekt sind, ein wenig mehr, denn sie regen mich zum Nachdenken an.

Welche Begriffe beschreiben Ihre Designs am besten?

In zwei Worten: Präzision und ­Poesie. Genauer gesagt ist es das Lineare und Erfinderische der Präzision auf der einen Seite und das Unbeschreibliche, Intuitive, Kunstvolle der Poesie auf der anderen. Im Moment beschäftige ich mich mit der intuitiven Intelligenz.

Beobachten ist die schönste Form des Denkens.”

Ihr Onkel arbeitete als Architekt, Ihre Mutter besuchte die Modeschule, und auch Ihr Großvater war künstlerisch tätig. War für Sie immer klar, dass Sie sich beruflich mit den schönen Dingen des Lebens auseinandersetzen würden? 

Nein, nein. Ich wollte auch Automechaniker werden, mich interessierten die Elektrizität, die elektronischen ­Geräte und die Architektur. Erst später, durch meine Ausflüge nach Mailand, entdeckte ich den Beruf des Designers. Dann war es mir klar. Mich interessiert die Größe eines Raums, eines Hauses, denn in dieser Dimension kann ich meine Erfahrungen und Gefühle prüfen und für andere zur Verfügung stellen. Ähnlich wie die Perfektion ist Schönheit relevant und essenziell wichtig für mich.

Sie haben beim 25hours Zürich West die gesamte Gestaltung des Innenraums übernommen. Wie geht man an so ein umfangreiches Projekt heran? 

Das Projekt hatte eine spannende Komplexität, vor allem weil ich dafür innerhalb von drei Jahren rund 80 Produkte entworfen habe. An ein solches Thema kann man nur mit viel Erfahrung und Vertrauen der Auftraggeber herangehen. Weil die Badezimmer vorfabriziert wurden, mussten wir ziemlich schnell eine Vision davon haben, wohin sich die Gesamtidee entwickelt. Wir mussten es ziemlich schnell entwerfen, denn der Bau lief schon. Das gefundene Thema war The Smile of my Home­town“ und war eine Art dreidimensionaler City-Guide von Zürich. Eine Liebeserklärung an meine Wahlheimat. Es gibt drei verschiedene Zimmerpreiskategorien (Bronze, Silber, Gold) und eine Suite (Häberli-Suite). Natürlich habe ich über die lange Zeit, in der ich mein Studio führe, internationale Beziehungen geknüpft und verfüge über Kontakte in der Industrie, die es ermöglichten, Türdrücker, Teppiche, vom Stuhl bis zur Leuchte, vom Besteck zu den Vorhängen alles parallel zueinander zu entwickeln. Das Wichtigste dabei war der Zeitpunkt, wann ein Entwurf fertig sein musste. Diese Choreografie war entscheidend. Nach diesem Projekt brauchte ich eine Pause und zog mich auf eine Insel zurück. 

Für Baufritz haben Sie die Konzepthäuser Haussicht“ und Waldsicht“ entworfen. Was war Ihnen dabei besonders wichtig? 

Bei Haussicht ging es darum, eine ­Vision, ein neues Bild für eine ökolo­gi­sche Systembauweise zu entwickeln. Eine Vision, die tatsächlich gebaut wurde. Beim Hausensemble ging es um die Fragestellung nach einer ­neuen Betrachtungsweise. Warum sind Schlafzimmer meistens in den Obergeschossen, wenn ich doch beim Schlafen die Augen und Fensterläden geschlossen habe und nichts von der Aussicht mitbekomme? Wie verändert sich die Nutzung über die Jahre? 

Beim kleineren zweiten Haus, dem Stöckli, stellte ich mir ein Gästehaus oder ein Atelier vor. Oder eben das Stöckli“, in das sich die Großeltern im Alter zurückziehen. Ich wählte bewusst die Thematik des behindertengerechten Wohnens aus, um zu demonstrieren, dass auch dieser ­Aspekt schön gelöst werden kann. Auch das Folgeprojekt Waldsicht“ ist ein real gebautes Haus, das nur in weiter Hinsicht mit Haussicht“ zu tun hat. Einige Themen kommen auch darin wieder vor. Doch bei jedem Architekturprojekt sind die Lage, das Grundstück, die Bedürfnisse und die Vorstellungen andere. Bei Haussicht“ hatten wir eine Carte blanche, bei Waldsicht“ hatte ich eine konkrete Bauherrschaft gegenüber.

Woran arbeiten Sie zurzeit? 

Wir haben gerade eine komplette Uhr entworfen, die diesen November auf den Markt kommen wird. Dann arbeiten wir seit Längerem an einem Golfschläger-Set, das sich auf der Zielgerade befindet. Des Weiteren haben wir ein Möbelsystem entwickelt, das sowohl für das Zuhause als auch für das Büro funktionieren wird – ziemlich passend für die Zeit, die wir gerade erleben. Vielleicht können wir ein Restaurantprojekt realisieren. Und parallel dazu laufen immer wieder Entwicklungen im Bereich Sofa, Stühle, Leuchten, Tafelgeschirr. Nicht zuletzt feiere ich mit dem Möbelhersteller Alias aus Bergamo das Jubiläum unserer 25-jährigen Zusammenarbeit.

In Alfredo Häberlis Studio werden ständig neue Projekte realisiert.

Die Uhr, die sie ansprechen, ist die DiaStar Original. Gemeinsam mit Rado haben Sie anlässlich des 60-jährigen Jubiläums eine besondere Neuauflage dieser Uhr entworfen. Können Sie uns mehr über den Designprozess erzählen?

Der Kontakt zu Rado bestand schon seit einiger Zeit, ohne dass es zu einem konkreten gemeinsamen Projekt gekommen wäre. Die Anfrage zum Jubi­läum der DiaStar überzeugte mich jedoch, und ich zögerte keine Millisekunde, die Herausforderung anzunehmen. Zunächst besuchte mich der Projektleiter von Rado in meinem Studio, und als ich daraufhin mit ersten Ideen zur Uhrenmanufaktur reiste, traf ich dort einen überaus passionierten CEO. Für mich als Uhrensammler ist die ­DiaStar die interessanteste Uhr.

Was macht die Rado DiaStar in Ihren Augen so besonders?

Um das Besondere der DiaStar zu erkennen, muss man 60 Jahre in die Vergangenheit reisen. Dazumal war sie die erste Uhr mit kratzfestem Gehäuse und Glas, dazu wasserdicht und bestückt mit einem Automatikwerk. Das Design war dank der geometrisch-konischen Gehäuseform bei der Avantgarde platziert. Dies alles war und ist in meinen Augen besonders.

Rado ist für die Verwendung innovativer Materialien bekannt. Für Ihre Zusammenarbeit mit Rado wurde das Material Ceramos eingesetzt. Welche Rolle spielte dieser Werkstoff im Designprozess?

Materialien sowie Technologien waren schon immer die wichtigsten Innovatoren im Design – und sind es heute noch mehr. Das Wissen und die Kenntnisse eignen sich die Designer an, oder es wird gemeinsam mit den Ingenieuren eruiert. Design war schon immer eine Teamarbeit und ein Pingpong im Verlauf des Prozesses. 

Wie wichtig ist prinzipiell das Material für einen Designer? Wonach wählen Sie die Materialien für Ihre Kreationen aus?

Bei jeder neuen Zusammenarbeit frage ich mich immer: Was sind die Qualitäten, Merkmale, die Geschichte und Zukunft der jeweiligen Firma? Auf diesen Erkenntnissen baue ich auf, um die Eigenarten zu unterstreichen. Wenn es – wie bei Rado – die Innovation des Materials ist, dann steht das Material umso klarer im Fokus

Bei jeder Anfrage beginnt der Traum eines Designers …”

Gibt es ein Traumprojekt, das Sie gern umsetzen würden? 

Mit den Projekten Spheres“, Haussicht“ und Sense & Sensuality“ sind wir in den letzten Jahren für Firmen sehr attraktiv geworden, weil wir mit unserer Denkweise an Projekten arbeiten, die in der nahen Zukunft von zehn bis 15 Jahren angesiedelt sind. Dieses Feld, das sich zwischen Vision und Realität befindet, ist heute für Firmen von enormer Bedeutung. Darin liegt für uns als Studio großes Potenzial. Ob es sich dabei um Mobilität handelt, um neue Verkaufslokale oder die neue Art zu ­arbeiten – immer starten Traumprojekte als Studie und enden meist mit real Gebautem. Jede Vision sprießt in der Poesie, und Präzision führt zum Resultat. Bei jeder Anfrage beginnt der Traum eines Designers …

Vielen Dank für das Gespräch!

Kurz und knapp

Alfredo Häberli wurde 1964 in Buenos Aires geboren, übersiedelte 1977 in die Schweiz und ‑machte 1991 an der Höheren Schule für Gestaltung Zürich im Fach Industrial Design seinen Abschluss. Mit ‑seinem Designstudio mit Sitz in Zürich hat sich Häberli über die Jahrzehnte einen Namen gemacht, er kooperiert mit führenden Unternehmen der internationalen Designindustrie. Aktuell hat er ein neues Modell für die Schweizer Uhrenmarke Rado gestaltet. 

alfredo​-haeberli​.com

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03. August 2022 Architektur 2

Hui in der Hauptsache

Zeig mir dein Museum, und ich sag dir, wer du bist! Im globalen Wettbewerb der Städte und Regionen spielen Museumsbauten eine zentrale Rolle. Kein Wunder, dass die besten Architekten der Welt immer neue, innovative und mitunter spektakuläre Lösungen suchen.

Kisten schleppen, weiche Pinsel heben, das richtige Licht ist auch ganz wichtig. Und natürlich Dinge wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Strategien gegen Motten. Wie jeder komplexe Organismus haben auch Kunstmuseen ihre Geheimnisse und kleineren Leiden, und das hat nicht zuletzt mit verborgenen Abläufen jenseits der Museumssäle zu tun. Was ist wichtig bei der Lagerung? Wie funktioniert das eigentlich: Leihgabewerke auf Weltreise schicken? Wie viel Raum benötigt die Restaurierung, und was ist beim Ausheben selten gezeigter Kunststücke zu beachten? Um solche Fragen kreist der neue kleine, feine Architektur-Hingucker in Rotterdam. Denn das Architekturbüro MVRDV rückt mit dem Depot Boijmans Van Beuningen – Außenposten des zeitgenössischer Kunst gewidmeten Museums Van Beuningen – eine ganz besondere Thematik in den Mittelpunkt. Die Idee hinter dem verspiegelten, oben begrünten Kunstdepot: Von den 151.000 Objekten des Stammhauses kann kaum ein Zehntel gezeigt werden – ein Umstand, der für viele Museen der Welt gilt. Genau dieses Dilemma thematisiert das neue Depot. Werke werden hier im Behind the scenes“-Rahmen präsentiert, zugleich werden Formen der Aufbewahrung, des Aushebens und des Transports von Kunst visualisiert.

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19. Februar 2024 Samsung Smart Fridge

KI-Kühlschrank als Küchenhilfe

Pinterest war gestern: Samsungs Smart Fridge liefert Rezeptideen anhand Lebensmittelscan

Samsung hat seine neuen AI- und Vernetzungsfunktionen für den Bespoke Family Hub+ Kühlschrank vorgestellt, um die Zeit in der Küche komfortabler zu gestalten. Die AI Vision Inside”-Funktion nutzt eine intelligente Kamera, um Lebensmittel im Kühlschrank zu erkennen. Die Vision AI”-Technologie identifiziert bis zu 33 verschiedene frische Lebensmittel und zeigt sie auf dem 32-Zoll LCD-Bildschirm des Kühlschranks an. Nutzer und Nutzerinnen, können manuell Informationen zum Mindesthaltbarkeitsdatum hinzufügen und Warnungen erhalten, wenn Produkte das Ablaufdatum erreichen. Die Tap-View”-Funktion spiegelt das Display des Galaxy-Smartphones auf dem Family Hub+ Bildschirm, und zukünftig wird auch die Anzeige von YouTube-Videos möglich sein.

Der Bespoke Family Hub+ Kühlschrank bietet auch Samsung Food mit aktualisierten AI-Funktionen. Die Rezepte personalisieren”-Funktion, unterstützt von erweiterter Food AI, ermöglicht eine individuelle Anpassung von Rezepten an verschiedene Ernährungsbedürfnisse, wie vegetarisch, vegan, glutenfrei, pescetarisch oder milchfrei. Die Bild-zu-Rezept”-Funktion erkennt Mahlzeiten und Lebensmittel anhand von Fotos und schlägt passende Gerichte vor. 

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29. März 2022 Digital Art 1

Warum Pixel elektrisieren!

Was steckt hinter dem Hype um Kryptokunst und NFT? Diese Frage spaltet seit der Versteigerung eines digitalen Kunstwerks um 58 Millionen Euro eine Branche, die von den ­technischen Entwicklungen regelrecht überrollt wurde.

Die Geschichte ist fast zu gut, um wahr zu sein: Als der zwölfjährige Benjamin A. dieses Frühjahr davon hörte, dass man mit digitaler Kunst richtig viel Geld machen könne, setzte er sich an den Computer und schuf seine eigenen kleinen digitalen Kunstwerke. Von Pfeife rauchenden Walen bis hin zu Delfinen mit Wikingerhelm entwarf er insgesamt 3.000 sogenannte Weird Whales“, also merkwürdige Wale. Und bot sie zum Verkauf an. 

Mit Erfolg. Allein an einem Tag nahm er mit seinen Pixelbildern umgerechnet 220.000 Euro ein. Oder genauer gesagt 80 Ether, eine im Internet gehandelte Kryptowährung. Wenn ich so weitermache“, sagte der holländische Teenager gegenüber dem Fernsehsender CNBC, kann ich vielleicht irgendwann so erfolgreich sein wie Jeff Bezos oder Elon Musk.“

Benjamin A.s Weird Whales“ sind schnell entworfene lustige Digitalfigu­ren, wie es sie im Internet seit dem ­Erfolg der KryptoPunks viele gibt und die sich alle einer Technologie bedienen, die den Kunstmarkt in den vergangenen Monaten ganz schön durcheinanderge­wirbelt hat: NFT, also Non-Fungible Token, gibt es zwar bereits seit Mitte der 2010er-Jahre, seit Anfang dieses Jahres ist der Markt mit ihnen aber ­regelrecht explodiert. Dank der Verknüpfung mit einem Blockchain-Verfahren bieten NFT die Möglichkeit eines wirkungsvollen Echtheitsnachweises. Wobei NFT selbst keine Kunst sind, sondern als digitale Datenpakete reines Werkzeug. Wie mit einem Fingerabdruck wird damit eine Datei als authentisches Unikat zertifiziert. Digitale Kunst, die beliebig vervielfältigt werden kann, für alle ­zugänglich ist und keinen physischen Lagerplatz braucht, wird so einem klaren Besitzer zugewiesen.

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